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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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wundern.«
    »Du hast mein Wort.«
    »Nein. Du wirst es erst dann nicht versuchen, wenn du verstanden hast, wie elementar wichtig es ist, das Augenlicht deiner Frau zu retten.«
    Die Kamera zoomte näher heran. Nelés angstverzerrtes Gesicht füllte den Bildschirm aus.
    »Jan«, wimmerte sie.
    »Kenny, hör zu«, flüsterte Vogelaar heiser. »Ich sagte, du hast mein Wort! Hör auf damit, ich –«
    »Man kann auch mit einem Auge ganz prima sehen.«
    »Kenny –«
    »Wenn du also begreifen würdest, wie wichtig es ist, ihr verbliebenes Augenlicht zu retten, dann –«
    »Kenny, nein!« Er sprang auf.
    »Tut mir leid, Jan. Ich werde gerade nervös.«
    Nelés Aufheulen, als das Skalpell zustieß, zirpte aus dem Lautsprecher des Handys. Dafür brachte Vogelaars Schrei die Luft zum Gerinnen.
     

GRAND HYATT
     
    Jericho blinzelte.
    Etwas hatte ihn geweckt. Er drehte sich auf die Seite und warf einen Blick auf die Zeitanzeige. Beinahe zehn! So lange hatte er gar nicht schlafen wollen. Er sprang aus dem Bett, hörte das Zimmertelefon schellen und ging ran.
    »Ich habe dein Geld«, sagte Tu. »Einhunderttausend Euro, wie der Herr Söldner es wünscht, in nicht allzu kleinen Scheinen, damit du im Museum noch durch die Tür passt.«
    »Gut«, sagte Jericho.
    »Kommst du runter zum Frühstücken?«
    »Ja, ich – denke schon.«
    »Mach schnell. Yoyo vergeht sich nachhaltig am Rührei. Ich lass dir welches warm stellen, bevor sie alles aufgegessen hat.«
    Yoyo.
    Jericho legte auf, ging ins Bad und betrachtete den stoppelbärtigen Blonden, der dem Verbrechen unter Einsatz aller Mittel zu Leibe rückte, außer Kamm, Rasierzeug und dem Mindestmaß an Anstand, das es erforderte, wenigstens klar und deutlich Nein zu sagen, auch wenn man in Wirklichkeit Ja meinte. Etwas hing ihm nach von vergangener Nacht, ein schales Empfinden, es vermasselt zu haben, was immer es war. Eine stockbetrunkene, nichtsdestoweniger mitteilsame Yoyo, die wohl kaum aus Versehen den Weg zu seinem Zimmer gefunden hatte, die hatte reden wollen, ein Gedanke, den der pickelige Junge hasste, aber was war Reden anderes als ein Zeremoniell ungewissen Ausgangs? Physisch und formbar. Alles hätte passieren können, doch er in gekränkter Selbstgefälligkeit hatte sie auflaufen lassen und trotzig die Neuverfilmung von Kill Bill zu Ende geguckt, die so unsäglich schlecht war, wie er es verdiente. Auf dem Nagelbrett seines Unvermögens, erwachsen zu werden, hatte ihn ein ohnmachtartiger, wenig erholsamer Schlaf überkommen, voller Träume von Bahnhöfen und Zügen, die er der Reihe nach verpasste, um auf ewig durch ein trübes, berlineskes Niemandsland zu irren, in dessen höhlenartigen Wohnräumen große Insekten mit knarrenden Beinen lauerten. Aus jedem Hauseingang, jeder Durchfahrt, jeder Ritze winkten ihm Fühler, zogen sich hastig gepanzerte Gliedmaßen zurück, ein schlampiges Versteckspiel.
    Züge, wie peinlich symbolisch. Wie konnte man bloß derart anspruchslos träumen? Er schaute dem Blonden in die Augen und stellte sich vor, wie er sich von ihm abwenden, einfach im Spiegel davongehen und ihn im Badezimmer zurücklassen würde, seiner Unzulänglichkeiten, der Unzulänglichkeit des pickeligen Jungen müde.
    Er musste diesen Jungen loswerden. Irgendwie. Es reichte!
     

VOGELAAR
     
    Mit nuklearer Gewalt war sein Schrei durch die Lounge gefegt, hatte jede Unterhaltung, jeden Gedanken in Fetzen gerissen. Schläfriger Jazz plätscherte in das Konversationsloch hinein. Auf dem niedrigen Glastisch vor ihm prangte ein modernes Kaffee-Milchschaum-Gemälde rund um ein Zentrum aus fragmentiertem Porzellan.
    Er stierte auf das Display.
    »Du hast mich verstanden?«, fragte Xin.
    Seine Knie gaben nach. Nelés ersticktes Schluchzen im Ohr, sank er zurück in den Ledersessel. Nichts war geschehen. Das Skalpell war nicht in ihren Augapfel gefahren, hatte Pupille und Iris nicht zerschnitten. Es hatte lediglich gezuckt und war wieder zur Ruhe gekommen.
    »Ja«, flüsterte Vogelaar. »Ich habe verstanden.«
    »Gut. Falls du dich an die Spielregeln hältst, wird ihr weiterhin nichts geschehen. Was allerdings deine Person angeht –«
    »Schon klar.« Vogelaar hustete. »Wozu der Aufwand, Kenny?«
    »Welcher Aufwand?«
    »Du hättest mich längst umlegen können. Als ich das Haus verließ, während der Fahrt hierher, in der Bank –«
    Das Bild verwischte, dann war wieder Xin zu sehen.
    »Sehr einfach«, sagte er, ganz der elastische Plauderer. »Weil du noch nie ohne Netz und

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