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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Französische Straße, schaffte es bis zur Taubenstraße, zwängte den Nissan in eine winzige Parklücke und betrat das Forum seiner Bank. Die Kathedrale des Kapitals war rappelvoll. Vor den Computerinseln und Beratungsschaltern herrschte ein Andrang, als plane halb Berlin, sich zusammen mit ihm und Nyela abzusetzen. Er gewahrte seinen Berater im Visier einer rotgesichtigen Greisin, die ihren Ausführungen mit Schlägen der flachen Hand auf das Schalterpult Nachdruck verlieh, gab ihm ein Zeichen, nebenan warten zu wollen, trottete in die angrenzende Lounge, ließ sich in einen der eleganten Ledersessel fallen und ärgerte sich über sich selbst.
    Er hatte Zeit verplempert. Warum hatte er das Geld nicht gestern Nachmittag abgehoben?
    Dann fiel ihm ein, dass die Banken, als Jericho und seine chinesische Freundin gegangen waren, wahrscheinlich schon geschlossen hatten. Was seinen Ärger keineswegs milderte. Im Grunde war es archaisch, dass er hier rumhängen musste. Bankgeschäfte waren Computergeschäfte, nur, um das Konto als Barschaft nach Hause zu tragen, bedurfte es seiner physischen Anwesenheit. Mürrisch bestellte er einen Cappuccino. Die Hoffnung, sein Berater werde ihn während der nächsten Minuten anrufen und zurück ins Forum bitten, drohte am Redeschwall der Rotgesichtigen zu zerschellen. Auch die anderen Schalter waren sämtlich von Schlangen gesäumt gewesen, überwiegend ältere und sehr alte Menschen. Die Senilisierung Berlins schien in vollem Gange zu sein, selbst in den Prachtstraßen stand das Brackwasser der Sorge um ein halbwegs gesichertes Alter.
    Zu seiner Überraschung klingelte sein Handy jedoch, kaum dass er die Oberlippe ins schaumige Weiß getaucht hatte. Die Tasse balancierend, um sie mit nach drüben zu nehmen, stand er auf, warf einen Blick auf das Display und stellte fest, dass der Anruf gar nicht aus dem Forum kam. Es war Nelés Nummer. Er setzte sich wieder hin, drückte auf Empfang und meldete sich in Erwartung, ihr Gesicht zu sehen.
    Stattdessen starrte ihn Leto an.
    Sofort begriff er, dass etwas nicht in Ordnung war. Leto wirkte auf eigenartige Weise bestürzt. Und auch wieder nicht. Mehr, als habe er sich mit dem Umstand seiner Bestürzung abgefunden und beschlossen, diesen Gesichtsausdruck bis ans Ende seiner Tage beizubehalten. Dann begriff Vogelaar, dass das Ende längst gekommen war.
    Leto war tot.
    »Nyela? Was ist los? Was ist passiert?«
    Wer immer Nelés Handy hielt, trat zurück, sodass Letos Oberkörper sichtbar wurde. Der Gabuner lehnte verkrümmt an der Bar. Eine Blutspur zog sich dünn und verschämt seinen Hals entlang.
    »Keine Angst, Jan. Wir haben ihn leise erledigt. Nicht, dass du Ärger mit den Nachbarn bekommst.«
    Der Sprecher drehte das Handy zu sich selbst.
    »Kenny«, flüsterte Vogelaar.
    »Freust du dich?« Xin grinste ihn an. »Also, ich hatte Sehnsucht nach dir. Ein Jahr lang habe ich mich über der Frage verzehrt, wie du es fertiggebracht hast, mir durch die Lappen zu gehen.«
    »Wo ist Nyela?«, hörte Vogelaar sich mit einer Stimme fragen, die in einem Fahrstuhlschacht zu verschwinden schien.
    »Warte, ich gebe sie dir. Nein, ich zeige sie dir.«
    Erneut schwenkte die Perspektive und erfasste den Restaurantbereich. Nyela saß auf einem Stuhl, eine Skulptur der Angst. Der Arm eines fahlen, glatzköpfigen Mannes spannte sich quer über ihren Oberkörper und presste sie gegen die Lehne. In der anderen Hand hielt der Mann ein Skalpell. Die Spitze schwebte bewegungslos in der Luft, keinen Zentimeter von Nelés linkem, weit aufgerissenem Auge entfernt.
    »So sieht's aus«, sagte Xins Stimme.
    Vogelaar hörte sich einen röchelnden Laut ausstoßen. Er konnte sich nicht erinnern, je solch ein Geräusch produziert zu haben.
    »Tu ihr nichts«, keuchte er. »Lass sie in Ruhe.«
    »Ich würde die Situation nicht überbewerten«, sagte Xin. »Mickey ist sehr professionell, er hat eine ruhige Hand. Er wird nur nervös, wenn ich es werde.«
    »Was soll ich tun? Sag, was ich tun soll.«
    »Mich ernst nehmen.«
    »Ich nehme dich ernst.«
    »Sicher tust du das.« Xins Tonfall wechselte unvermittelt ins Dunkle, Schlangenartige. »Andererseits weiß ich, wozu du fähig bist, Jan. Du kannst gar nicht anders. In diesem Moment jagen tausend Pläne durch deinen Schädel, wie du mich austricksen könntest. – Ich will aber nicht, dass du mich austrickst. Ich will nicht, dass du es überhaupt erst versuchst.«
    »Ich werde es nicht versuchen.«
    »Das würde mich

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