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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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ist offenbar sehr hungrig, also rennt der eine Tschuktscha davon, so schnell er kann. Der andere hingegen nimmt seinen Rucksack von der Schulter, öffnet ihn in aller Seelenruhe, holt ein paar Laufschuhe heraus und zieht sie an. Bist du verrückt, schreit der fliehende Tschuktscha, glaubst du im Ernst, mit den Schuhen bist du schneller als der Löwe? Nein, sagt sein Kumpel, das nicht.« Rogaschow verbreiterte sein Lächeln. »Aber schneller als du.«
    Julian sah den Russen an. Seine Schultern bebten, dann begann er zu kichern. Chambers fiel unentschlossen ein. Amber ließ den Inhalt behördlich prüfen und entschied, mitzulachen.
    »Wir brauchen also Laufschuhe«, sagte sie. »Toll, Oleg. Laufen wir eben nach Hause.«
    Julians Mimik fror ein. »Moment mal.«
    »Was ist?«
    »Wir haben Laufschuhe!«
    »Was?«
    »Ich Idiot.« Er schaute sie an, die Augen geweitet vor Verwunderung, dass ihm der Gedanke nicht längst schon gekommen war. »Die Chinesen sind unsere Laufschuhe.«
    »Die Chinesen?«
    »Die chinesische Förderstation. Aber natürlich! Sie ist bewohnt. Wir können sie binnen einer Stunde mit den Grasshoppers erreichen, ohne dass uns der Sauerstoff ausgeht, es gibt dort Shuttles, sie verfügen über einen eigenen Satelliten –«
    »Und sie könnten hinter dem Anschlag stecken«, rief Amber. »Hat das dieser Jericho nicht vermutet?«
    »Ja, aber die Leute, denen wir die Warnung verdanken, sind ebenfalls Chinesen.« Plötzlich funkelte wieder Entschlossenheit in Julians Blick. »Ich meine, was haben wir zu verlieren? Wenn es wirklich ein chinesisches Komplott gegen Orley Enterprises gibt, Pech gehabt. Schlimmer können wir es kaum machen. Falls aber nicht, oder falls nicht speziell diese Chinesen dahinterstecken – dann können wir nur gewinnen.«
    Sie sahen einander an, ließen den Gedanken arbeiten.
    »Du solltest mehr Witze erzählen«, sagte Chambers zu Rogaschow.
    Der Russe zuckte die Achseln. »Sehe ich aus, als ob ich noch einen kenne?«
    »Nein.« Julian lachte. »Also los. Packen wir unsere Sachen.«
     

LONDON, GROSSBRITANNIEN
     
    Die China-Theorie.
    Seit sie in dem fetten Asiaten aus Calgary Kenny Xin erkannt hatten, erfreute sich der Begriff im Big O und beim SIS regen Gebrauchs. Die nie so recht geglaubte und doch schlüssigste aller Erklärungen, dass ein chinesischer Erreger in Orleys Blutbahn wütete, erlebte ihre Renaissance, und warum? Wegen eines chinesischen Attentäters.
    Jericho war ratloser denn je.
    Nach anfänglichen Momenten des Triumphs, Xin enttarnt und die Rinnsale der Erkenntnis zum Strom zusammengeführt zu haben, verzweifelte er umso mehr an der Paradoxie des Offensichtlichen. Spontan ergab die China-Theorie Sinn. Xin offenbarte sich als Nukleus schandhaften Treibens überall auf der Welt, dessen Aktionen samt und sonders der Durchführung des geplanten Anschlags dienten, auch wenn er für das Massaker in Vancouver kaum verantwortlich gemacht werden konnte. Zwar hätte ihn ein Jet rechtzeitig von Berlin nach Kanada schaffen können, um dort zehn Menschen zu ermorden, doch Jericho bezweifelte, dass der Chinese Europa den Rücken gekehrt hatte. Eher stand zu vermuten, dass er ihnen nach London gefolgt war und das Geschehen in zeckenhafter Starre mitverfolgte, ganz in ihrer Nähe. Vancouver konnte er delegiert haben, und dass einige seiner Helfer Nichtchinesen waren, geschenkt. Mayés Rampe, der Einkauf und die Installation der Mini-Nuke, all dies hatte in chinesischer Hand gelegen. China galt als Provokateur der Mondkrise, Peking grollte den USA, Zheng versuchte in gleicher Weise, Orley zu bekämpfen wie auf seine Seite zu ziehen, kurz, die China-Theorie fügte sich nahtlos ins geheimdienstliche Denken. Nur eines sprach in Jerichos Augen gegen sie: dass nämlich die Sinnhaftigkeit ihrer Versatzstücke unterm Strich Unsinn ergab.
    »Na, Sie sind gut«, entsetzte sich Norrington. »Es war Xin, der auf Palstein geschossen hat, das müsste Ihnen doch zu denken geben.«
    »Es gibt mir ja auch zu denken«, sagte Jericho.
    »Der Kerl ist nicht einfach das Schießgewehr von irgendwem, ich meine, wem erzähle ich das! Er steht in der Organisation ganz oben, und er ist nun mal ein verdammter chinesischer Geheimdienstler. Es wäre fahrlässig, China als Urheber auszuschließen.«
    Yoyo ließ durchblicken, sie habe es satt, in einem Keller herumzusitzen, so ansprechend er auch gestaltet sei.
    »Ich hab Jennifer gefragt. Sie meint, bis morgen früh stünde die atomare Auslöschung Londons

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