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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Pazifikinsel.«
    »Merkwürdige Überlegung. Ihr habt doch schon alle Regeln gängiger Südseeromantik außer Kraft gesetzt. Es sieht toll aus, zieh es an. Oder gibt's Alternativen?«
    Lynns Daumen glitt über die Fernbedienung. Übergangslos veränderte sich das Äußere ihres Avatars. Die Holo-Lynn trug nun einen arm- und schulterfreien, apricotfarbenen Catsuit, den sie mit der gleichen leeren Grazie vorführte wie zuvor das Abendkleid. Ihr Blick war auf imaginäre Bewunderer gerichtet.
    »Kannst du sie so programmieren, dass sie einen ansieht?«
    »Bloß nicht! Denkst du, ich will mich die ganze Zeit selber anstarren?«
    Tim lachte. Sein eigener Avatar war eine Figur aus der Zeit des zweidimensionalen Animationsfilms, Wall-E, ein schrottig aussehender Roboter, dessen Liebenswürdigkeit in keinerlei Verhältnis zu seinem Äußeren stand. Tim hatte den Film als Kind gesehen und sich sofort in die Figur verliebt. Vielleicht, weil er sich in Julians Welt des Berge-Versetzens und Sterne-vom-Himmel-Holens selbst schrottig vorgekommen war.
    »Guck mal«, sagte Lynn. »So?«
    Die wogende Haarpracht des Avatars wich einer Hochsteckfrisur.
    »Besser«, sagte Tim.
    »Echt?« Lynn ließ die Schultern hängen. »Mist, ich hatte sie den ganzen Tag schon hochgesteckt. Aber du hast recht. Es sei denn –«
    Der Avatar präsentierte eine eng anliegende, türkisfarbene Bluse zu einer champagnerfarbenen Hose.
    »Und so?«
    »Was sind das überhaupt für Klamotten?«, wollte Tim wissen.
    »Mimi Kri. Die aktuelle Kollektion von Mimi Parker. Sie hat den ganzen Krempel mitgebracht, nachdem ich ihr versprechen musste, irgendwas davon zu tragen. Ihr Katalog ist mit den meisten Avatar-Programmen kompatibel.«
    »Meiner könnte die Sachen also auch tragen?«
    »Sofern es gelänge, sie auf Raupenketten und Baggerhände umzunähen, ja. Quatsch, Tim, es funktioniert nur bei menschlichen Avataren. Das Programm ist übrigens gnadenlos. Wenn du zu fett oder zu klein für Mimis Kreationen bist, verweigert es die Umrechnung. Das Problem ist, dass die meisten Leute ihre Ebenbilder dermaßen schönen, dass im Rechner alles passt und sie hinterher trotzdem scheiße aussehen.«
    »Selber schuld.« Tim kniff die Augen zusammen. »He, dein Avatar hat ja einen viel zu kleinen Hintern! Die Hälfte von deinem. Nein, ein Drittel. Und wo ist deine Wampe? Und deine Zellulitis?«
    »Idiot«, lachte Lynn. »Was willst du eigentlich hier?«
    »Och, nichts.«
    »Nichts? Das ist ja mal ein Grund, mich zu besuchen.«
    »Na ja.« Er zögerte. »Amber meint, ich übertreibe es mit meiner Fürsorge.«
    »Nein, ist schon okay.«
    »Ich wollte dir vorhin nicht auf die Nerven gehen.«
    »Es ist lieb, dass du dich sorgst. Ehrlich.«
    »Trotzdem, vielleicht –« Er rang die Hände. »Weißt du, es ist einfach so, dass ich Julian völlige Blindheit unterstelle, was seine Umwelt angeht. Er mag ja im Raum-Zeit-Gefüge einzelne Atome aufspüren können, aber wenn du tot vor ihm im Graben liegst, wird er sich allenfalls beschweren, dass du ihm nicht richtig zuhörst.«
    »Du übertreibst.«
    »Deinen Zusammenbruch hat er jedenfalls nicht zur Kenntnis genommen. Erinnere dich.«
    »Das ist über fünf Jahre her«, sagte Lynn sanft. »Und er hatte keine Erfahrung mit so was.«
    »Blödsinn, er hat ihn geleugnet! Welcher besonderen Erfahrung bedarf es denn, einen Burnout mit Depressionen und Angstzuständen als das zu erkennen, was er ist? In Julians Welt bricht man nicht zusammen, das ist der Punkt. Er kennt nur Superhelden.«
    »Vielleicht fehlt ihm das Regulativ. Nach Mutters Tod –«
    »Mutters Tod liegt zehn Jahre zurück, Lynn. Zehn Jahre! Seit ihm aufgefallen ist, dass sie irgendwann mit atmen, reden, essen und denken aufgehört hat, vögelt er wild durch die Gegend und –«
    »Das ist seine Sache. Ehrlich, Tim.«
    »Ich halte ja schon die Klappe.« Er schaute zur Decke, als fänden sich dort Hinweise auf den eigentlichen Grund seiner Visite. »Tatsächlich bin ich auch nur gekommen, um dir zu sagen, dass dein Hotel fantastisch ist. Und dass ich mich auf die Reise freue.«
    »Du bist lieb.«
    »Im Ernst! Du hast alles im Griff. Alles großartig organisiert!« Er grinste. »Sogar die Gäste sind einigermaßen erträglich.«
    »Wenn dir einer nicht passt, entsorgen wir ihn im Vakuum.« Sie rollte die Augen und sagte mit hohler, unheilvoller Stimme: »Im Weltraum hört dich keiner schreien!«
    »Huh!« Tim lachte.
    »Ich bin froh, dass du mitkommst«, fügte sie leise

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