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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Unmengen eines Elements gebunden waren, das die Lösung aller Energieprobleme versprach. Ohne Plan jedoch, wie man das Zeug abbauen und zur Erde schaffen konnte, zudem in Ermangelung praxisgerechter Reaktoren, schien Helium-3 keine Rolle zu spielen. Dennoch hatte Julian an allen Fronten weitergeforscht, ignoriert von der Ölbranche, die genug damit zu tun hatte, alternative Trends wie Windkraft und Fotovoltaik auszusitzen. Kaum jemand nahm Julians Bemühungen wirklich ernst. Es schien einfach zu unwahrscheinlich, dass er Erfolg haben würde.
    Palstein hingegen hatte sich alles geduldig angehört und dem Vorstand seines Unternehmens, mit ExxonMobil soeben zu EMCO verehelicht, eine Beteiligung an Orley Energy und Orley Space empfohlen. Bekanntermaßen war die Unternehmensleitung nicht darauf eingestiegen, doch Palstein hielt den Kontakt zu Orley Enterprises, und Julian lernte den melancholischen, stets in ungewisse Ferne schauenden Mann schätzen und mögen. Auch wenn sie in all den Jahren kaum drei Wochen ihrer Zeit miteinander verbracht hatten, meist bei spontan einberufenen Mittagessen, hier und da auf einer Veranstaltung, selten in privatem Rahmen, verband sie so etwas wie eine Freundschaft, ungeachtet der Tatsache, dass die Hartnäckigkeit des einen der Branche des anderen schlussendlich den Weg in die Bedeutungslosigkeit gewiesen hatte. In letzter Zeit war Palstein immer häufiger gezwungen, die Aufgabe oder Eindämmung von Fördervorhaben bekannt zu geben, so wie aktuell in Alaska oder drei Wochen zuvor in Alberta, wo er sich Hundertschaften aufgebrachter Menschen hatte stellen müssen und prompt angeschossen worden war.
    Julian wusste, dass der Manager recht behalten würde. Eine Beteiligung an Orley Enterprises würde EMCO nicht retten, aber vielleicht würde sie Gerald Palstein nützen. Er stand auf, verließ den Raum hinter der Bar und ging zurück zu seinen Gästen.
    »– in einer Dreiviertelstunde also hier zum Dinner«, sagte Lynn gerade. »Sie können bleiben, die Drinks und die Aussicht genießen oder sich frisch machen und umziehen. Sie können sogar arbeiten, wenn das Ihre Droge ist, auch dafür sind optimale Voraussetzungen geschaffen.«
    »Und das verdanken Sie meiner fantastischen Tochter«, sagte Julian und legte Lynn den Arm um die Schulter. »Sie ist umwerfend. Sie hat all dies geschaffen. Für mich ist sie die Größte.«
    Die Gäste applaudierten. Lynn senkte lächelnd den Kopf.
    »Keine falsche Bescheidenheit«, flüsterte Julian ihr zu. »Ich bin sehr stolz auf dich. Du kannst alles. Du bist perfekt.«
     
    Wenig später wanderte Tim den Gang des vierten Stockwerks entlang. Überall herrschte antiseptische Gepflegtheit. Unterwegs begegnete er zwei Sicherheitsleuten und einem Reinigungsroboter auf der Suche nach nicht vorhandenen oder bereits vertilgten Hinterlassenschaften einer teilbewohnten Welt. Wie die Maschine emsig summend ihrem Daseinszweck nachspürte, haftete ihr etwas zutiefst Entmutigendes an. Ein Sisyphos, der den Stein den Berg hinaufgerollt und jetzt nichts mehr zu tun hatte.
    Vor ihrem Zimmer blieb er stehen und betätigte die Klingel. Eine Kamera schickte sein Konterfei ins Innere, dann sagte Lynns Stimme:
    »Tim! Komm rein.«
    Die Tür glitt zur Seite. Er betrat die Suite und sah Lynn in einem aufregenden, bodenlangen Kleid vor dem Panoramafenster auf und ab gehen und ihm den Rücken zukehren. Sie trug das Haar offen, sodass es in weichen Wellen herabfloss. Als sie ihn über die Schulter hinweg anlächelte, leuchteten ihre hellblauen Augen wie Aquamarine. Mit raschem Schwung drehte sie sich und präsentierte ihm ihr Dekolleté. Tim ignorierte sie, während seine Schwester so knapp an ihm vorbei starrte, dass ihr Lächeln ins Grenzfeld zur Verblödung entrückte. Er trat zu einem kugelförmigen Sessel, beugte sich herab und gab der Frau, die sich darin räkelte – notdürftig bekleidet mit einem seidenen Kimono, die Beine angewinkelt und den Kopf zurückgeworfen –, einen Kuss auf die Wange.
    »Ich bin beeindruckt«, sagte er. »Wirklich.«
    »Danke.« Das Ding im Abendkleid stolzierte weiter umher, drehte und wendete sich, badete sich in seinem verklärten Ego, während das Lächeln der echten Lynn begann, an den Mundwinkeln auszuleiern. Tim setzte sich auf einen Hocker und deutete auf ihr holografisches Alter Ego.
    »Willst du das heute Abend anziehen?«
    »Weiß ich noch nicht.« Lynn zog die Stirn kraus. »Ist vielleicht zu festlich, oder? Ich meine, für eine

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