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Lincolns Träume

Lincolns Träume

Titel: Lincolns Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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gekauft, aber aus den Dokumenten hier geht hervor, daß er ihn nicht vor 1862 kaufte, während des Carolina-Feldzugs.«
    »Sie müssen einen Grund dafür gehabt haben, sich zu melden«, sagte Broun. »Wie wär’s, wenn Ben einem Mädchen den Hof machte, das jemand anderen liebt?«
    McLaws und Herndon würden ihm den Hals umdrehen, wenn er zu diesem späten Zeitpunkt noch weitere Charaktere hinzufügen würde. »Ich glaube, der Anfang ist gelungen«, sagte ich. »Ben braucht keinen triftigen Grund dafür, daß er sich verpflichtet. Alle anderen hatten im Bürgerkrieg auch keinen. Die meisten Rekruten hätten Ihnen nicht einmal sagen können, worum es bei dem Krieg überhaupt ging, geschweige denn, warum sie mitmachten. Ich würde weitermachen und alles so lassen, wie es ist, und das gleiche gilt für Traveller. Ich fahre morgen nach Lewisburg rauf und sehe die Gerichtsakten durch, aber ich bin mir fast sicher, daß Lee das Pferd nicht 1861 gekauft hat.«
    »Bist du rechtzeitig zum Empfang zurück?« fragte Broun.
    »Ich dachte, Sie würden ihn verschieben, weil das Buch noch nicht so weit ist.«
    »Die Einladungen sind schon raus. Versuch rechtzeitig zurück zu sein, mein Sohn. Ich brauche dich hier, damit du ihnen erklärst, warum das Buch so lange auf sich warten läßt.«
    Ich wollte ihn bitten, mir das zu erklären, aber ich tat es nicht. Statt dessen hetzte ich drei Tage lang durchs ganze Breenbrier County, auf der Suche nach einer gekritzelten Notiz oder einer vorläufigen Vereinbarung, die die Angelegenheit auf die eine oder andere Art entscheiden würde, und dann fuhr ich in einem fürchterlichen Schneegestöber nach Hause, kam aber noch rechtzeitig zum Empfang.
    »Du siehst aus, als hättest du noch nie einen Einsatz mitgemacht, mein Sohn«, sagte Broun, als ich am späten Nachmittag dort eintraf.
    »Habe ich aber«, sagte ich und zog den Parka aus. Der Schnee war mir den ganzen Weg von White Sulphur Springs gefolgt und hatte sich fünfzig Meilen vor D.C. schließlich in Eisregen verwandelt. Ich war froh, daß Broun in seinem oben gelegenen Arbeitszimmer den Kamin angezündet hatte. »Ich habe rausgefunden, was Sie über Traveller wissen wollten.«
    »Schön, schön«, sagte er, während er Bücher von einem hochlehnigen Stuhl herunternahm und ihn vor das Feuer stellte. Er hängte meinen Parka über die Rückenlehne. »Ich bin froh, daß du wieder da bist, Jeff. Ich glaube, ich habe das Buch endlich in den Griff bekommen. Wußtest du, daß Lincoln von seiner eigenen Ermordung geträumt hat?«
    »Ja«, sagte ich und fragte mich, was, um alles in der Welt, das mit einem Roman über Antietam zu tun hatte. »Er sah im Traum seinen Leichnam im Weißen Haus, nicht wahr?«
    »Er träumte, daß er aufgewacht wäre und ein Weinen hörte«, sagte Broun, scheuchte seinen Siamkater vom großen ledernen Armsessel herunter und zog den Sessel vor den Kamin. Er schien überhaupt keine Eile zu haben, obwohl der Empfang um sieben beginnen sollte. Er trug die schäbige Strickjacke, in der er für gewöhnlich schrieb, und eine ausgebeulte Hose, und er hatte sich offensichtlich nicht mehr rasiert, seitdem ich ihn verlassen hatte. Vielleicht hatte man den Empfang zu guter Letzt doch noch abgesagt.
    Broun bedeutete mir, mich zu setzen. »Als er die Treppe hinunterging, sah er niemanden«, fuhr er fort, »aber im östlichen Zimmer lag in einem Sarg eine Leiche. Das Gesicht der Leiche war von einem schwarzen Tuch bedeckt, und Lincoln fragte die neben der Tür stehende Wache, wer der Tote sei, und die Wache antwortete: ›Der Präsident. Er wurde von einem Attentäter umgebracht.‹«
    Er schaute mich gespannt an und wartete darauf, daß ich etwas sagte, aber ich hatte keine Ahnung, was das hätte sein können. »Er hatte diesen Traum einen Monat, bevor er starb, oder?« sagte ich lahm.
    »Zwei Wochen. Am zweiten April. Ich hatte davon gelesen, aber während du weg warst, rief McLaws und Herndons Werbeagentin an und fragte mich, welches Buch ich nach Die Bürde der Pflicht schreiben würde. Sie brauchte das für die Pressemitteilung, die sie auf dem Empfang verteilen wollte, und ich sagte ihr, daß ich das nicht wüßte, aber dann fing ich an, über ein Lincoln-Buch nachzudenken.«
    Das Lincoln-Buch. Darum ging es also. Ich hatte das Gefühl, ich müßte glücklich sein. Wenn er sich auf ein neues Buch einließe, dann gäbe er womöglich Die Bürde der Pflicht auf. Der Haken bei der Sache war, daß das Lincoln-Buch kein neues Buch

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