Linda, H: Winterherzen: Für morgen, für immer
zum Dinner verabredet war. Martine hätte ihr nur unzählige Fragen gestellt und ein großes Aufheben aus dieser recht unbedeutenden Angelegenheit gemacht. Claire sah darin nichts weiter als eine Verabredung zum Essen mit einem Mann, der fremd in der Stadt war und nicht viele Menschen kannte und der es vermutlich als willkommene Abwechslung betrachtete, eine Frau kennenzulernen, die ihm nicht nachstellte.
Martine seufzte. Sie wusste aus Erfahrung, dass es keinen Sinn hatte, Claire zu bedrängen, wenn sie über etwas nicht reden wollte. Und daher wechselte sie kurzerhand das Thema und schilderte lachend einen ulkigen Streich, den ihr achtjähriger Sohn ihr an diesem Morgen gespielt hatte.
Sie plauderten noch eine Weile und verabschiedeten sich dann. Claire legte den Hörer auf und kuschelte sich wieder in die Kissen. Mit einem nachdenklichen Blick in den dunklen Augen starrte sie an die Decke. Ihre Gedanken wanderten zu Maxwell Benedict, und im Geiste tauchte sein Gesicht vor ihr auf. Sie sah seine Augen vorsich, von einem lebhaften Türkis, das beständig den Farbton wechselte. Manchmal wirkten sie mehr grün als blau, und dann wieder mehr blau als grün. Und zweimal hatte sie etwas in ihnen aufblitzen sehen, das sie nicht ergründen konnte. Es erinnerte sie an einen Schatten im Meer, der augenblicklich wieder verschwand und nur wirbelndes, türkisfarbenes Wasser zurückließ, dem Betrachter aber die Gefahren der See verdeutlichte. Vielleicht verbargen sich in den Tiefen seines Charakters ebenfalls Gefahren, versteckt hinter seinem blendenden Äußeren und seiner eisernen Beherrschung.
Viele Menschen hätten diese Beherrschung vermutlich nicht gespürt, aber Claire war empfindsamer als andere und erkannte sie, weil sie selbst hatte lernen müssen, sich zu beherrschen. Als Kind hatte sie sehr starke Empfindungen gehegt und nur darauf gewartet, sie auf jemanden zu übertragen, der sie um ihrer selbst willen liebte. Sie hatte Jeff für diesen Menschen gehalten, ihm ihre leidenschaftliche Liebe geschenkt und sich bemüht, ihm eine perfekte Ehefrau zu sein – nur um erneut zu versagen. Nun wartete sie nicht länger auf diese Person. Sie war verletzt worden und wollte es nicht erneut geschehen lassen. Sie hatte ihre Gefühle und Leidenschaften begraben und lebte zufriedener ohne sie.
Aber wie mochten diese türkisfarbenen Augen wohl aussehen, wenn die kühle Beherrschung verschwand und Leidenschaft in ihnen glühte?
Claire setzte sich auf und verdrängte entschieden diesen beunruhigenden Gedanken. Es war zwar Sonnabend, aber sie hatte viel zu erledigen. Sie zog ihr Seidennachthemd aus und ließ es auf das Bett fallen. Einen Augenblick lang genoss sie den Anblick der rosa Seide auf der weißen Spitzenbettdecke. Sie liebte schöne Dinge, und diese Veranlagung zeigte sich in ihrer Vorliebe für ausgezeichnete Wäsche und in den harmonischen Farben, mit denen sie sich umgab. Ihr Bett war weiß, der Teppich von einem warmen Pfirsichton, und im Raum verstreut befanden sich Spuren von Rosa und Jadegrün. Ihre Badehandtücher waren dick und weich, und sie genoss das Gefühl der flauschigen Tücher auf ihrer Haut.
Es gab so viele Dinge, an denen sie sich erfreute: frischer Regenauf ihrem Gesicht oder warmer Sonnenschein – ein Lichtstrahl, der durch ein Marmeladenglas fiel – die zarte Schönheit eines lindgrünen Blattes im Frühling – ein dicker Teppich unter ihren nackten Füßen.
Claire hatte lange geschlafen, und daher musste sie sich beeilen, um die Hausarbeit zu schaffen, die sie jeden Sonnabend erledigte. Sie fühlte sich rastlos und gereizt, und das wegen eines Mannes mit lebhaften, seefarbenen Augen und Sonnenschein im Haar. Diese ungewohnte Reaktion auf ihn ließ all ihren Widerstand erwachen. Sie musste auf der Hut sein, mehr vor sich selbst als vor Maxwell Benedict. Sie durfte sich nicht dieselbe Schwäche leisten, die sie damals zu dem Glauben veranlasst hatte, dass Jeff sie genauso liebte wie sie ihn. Nicht Jeff hatte sie getäuscht, sondern sie hatte sich selbst getäuscht. Und das durfte nie wieder geschehen.
Dennoch verlangte ihr Stolz, dass sie so hübsch wie möglich aussah, wenn sie mit Maxwell ausging. Und daher nahm sie sich viel Zeit für ihr Make-up. Sie besaß zarte Gesichtszüge mit hohen Wangenknochen, die sie mit Rouge betonte, und einen vollen weichen Mund, der durch Lippenstift noch zarter wirkte. Lidstrich und rauchgrauer Lidschatten verliehen ihren dunklen Augen einen geheimnisvollen
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