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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hundert Jahre Zaertlichkeit
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trat. Wie das
wellige Spiegelbild auf der Oberfläche eines Teiches löste er sich in nichts
auf. Elisabeth schlug eine Hand vor den Mund und lehnte sich an den Türrahmen,
krank vor Angst, Jonathan nie wiedersehen zu können. Wie sollte sie seine
Abwesenheit Trista oder Marshal Haynes und den übrigen Einwohnern der Stadt
erklären? Außerdem stand ihr dann auch noch bevor, ohne ihn leben zu müssen.
    So etwas hatte Jonathan noch nie gesehen.
    Vor einer
Sekunde hatte er in einer regnerischen Nacht in Tristas Schlafzimmer gestanden.
Jetzt schien die wärmende Frühlingssonne, und der vertraute Korridor hatte
sich drastisch verändert.
    Lampen gab
es an den Wänden, und der dicke Läufer unter seinen Füßen hatte die Farbe von
reifem Weizen. Ein paar Sekunden stand er bloß da, hielt die Halskette fest und
versuchte zu verstehen, was mit ihm passierte. Er hatte Angst, aber doch nicht
so viel, daß er sich umdrehte und zurückging, ohne festzustellen, in was für
einer Welt Elisabeth lebte.
    Sobald er
sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, öffnete er die Schlafzimmertür.
Baulich war auch hier alles gleich, aber damit endeten die Ähnlichkeiten. Das
Herz des Wissenschaftlers in ihm begann vor Erregung schneller zu schlagen.
    Bei dem
schrillen Klingeln zuckte er zusammen und wäre beinahe weggelaufen, doch dann
begriff er, daß es von einem Telefon stammte. Er sah sich um, fand jedoch
keines an der Wand. Schließlich folgte er dem Klingeln zu einem zierlich
wirkenden Gerät auf dem Schminktisch. Er nahm den Hörer ab.
    »Hallo!«
rief er. Es gab natürlich Telefone in Seattle, aber die Leitungen hatten Pine
River noch nicht erreicht, und Jonathan besaß nicht viel Erfahrung, wie man
mit einem solchen Apparat sprach.
    »Wer ist
da?« fragte eine Frauenstimme.
    »Hier ist
Jonathan Fortner«, antwortete er fasziniert. »Wer sind Sie, und warum
telefonieren Sie?«
    Es entstand
eine Pause. »Ich bin Janet Finch, Elisabeths Freundin. Ist sie da?«
    Ein Lächeln
erschien um Jonathans Mund. »Ich fürchte nein.« Damit legte er auf und ging
weg.
    Unmittelbar
darauf setzte das Klingeln wieder ein, aber Jonathan ignorierte es einfach. Er
wollte lieber noch andere
Dinge erforschen.
    Als er
gerade die vordere Treppe hinunterstieg, schaute eine alte Frau mit pedantisch
gekämmten weißen Haaren und großen blauen Augen durch eines der langen Fenster
zu beiden Seiten der Tür. Bei Jonathans Anblick stieß sie einen kleinen Schrei
aus, ließ klappernd etwas auf die Veranda fallen und rannte weg.
    Jonathan
hoffte, sie nicht zu sehr erschreckt zu haben. Seufzend ging er weiter in die
Küche, die er staunend einer Inspektion unterzog. Den Eiskasten fand er
sofort, und er identifizierte das Ding mit den Metallschlangen oben drauf als
Herd. Er drehte an einem der Knöpfe und ging dann zu dem Spülstein, wo er
interessiert die funkelnden Kräne betrachtete. Als er an einem drehte, schoß
Wasser aus der dünnen Leitung und erschreckte ihn.
    Eine der
Spiralen an dem Herd war glühend, als er zurückblickte, und Jonathan hielt eine
Hand darüber und staunte über die Hitze.
    Das
interessanteste Ding war jedoch ein Kasten, der auf der Theke stand. Er hatte
kleine Knöpfe wie der Herd und ein Fenster aus dem gleichen Stoff, aus dem
Elisabeths Medizinfläschchen bestand, allerdings klar.
    Jonathan
spielte mit den Knöpfen, und plötzlich wurde das Fenster hell, und eine
attraktive Schwarze tauchte vor ihm auf.
    »Sind Sie
es leid, ihrem Chef jeden Wunsch zu erfüllen?« fragte sie, und Jonathan trat
sprachlos einen Schritt zurück. Die Frau sah ihn an, als erwartete sie eine
Antwort, und er überlegte, ob er mit ihr sprechen sollte. »Unsere heutigen
Gäste werden Ihnen sagen, wie Sie sich behaupten können und trotzdem Ihren Job
behalten.«
    »Was für
Gäste?« fragte Jonathan und sah sich in der Küche um. Musik drang aus dem
Kasten, und dann erschien eine Frau mit der gleichen Haarfarbe wie Elisabeth
und hielt ein Glas Orangensaft hoch.
    »Nein,
danke«, sagte Jonathan und berührte wieder den Knopf. Das Fenster wurde dunkel.
    Er wanderte
nach draußen und betrachtete den Stall, der sich in einem jämmerlichen Zustand
des Verfalls be fand, und stand dann am Zaun und schaute den vorbeifahrenden
Automobilen nach. Sie hatten alle Farben anstelle des schlichten Schwarz, wie
er es auf den Straßen von Boston und New York erlebt hatte.
    Als er nach
einer halben Stunde noch immer kein einziges Pferd gesehen hatte, wandte er
sich kopfschüttelnd

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