Linda Lael Miller
sie langsam auf ihn zuging.
Erkennen
dämmerte zwischen ihnen, als er vom Bock des Wagens auf sie hinabsah und sie
von unten zu ihm aufschaute. Einen Augenblick lang war es fast, als ob sie
wieder in Chicago wären, in der Pension, und sich beim Abendessen
gegenübersäßen.
»Hallo,
Rebecca«, brachte er mit rauher Stimme hervor. »Wie ich hörte, haben wir beide
schon vor dem Traualtar gestanden, obwohl ich gestehen muß, daß ich mich nicht
an die Zeremonie erinnere.«
Die Röte
auf ihren Wangen vertiefte sich, aber ihre braunen Augen, die glühten, als ob
Laternen sie erhellten, hielten ruhig seinen Blicken stand. »Kommen Sie herein,
bevor Sie sich hier draußen den Tod holen«, sagte sie in stiller Resignation.
2. Kapitel
Obwohl Rebecca bereits eine Vorahnung
gehabt hatte, daß irgend etwas Unangenehmes auf sie zukam, und obwohl sie ihren
Rücken steifhielt wie einen Schürhaken, war sie dennoch innerlich sehr
aufgewühlt, als sie vor ihrem > Ehemann < ins Haus ging. Wenn eine
Heuschreckenplage das schneebedeckte Land heimgesucht hätte, wäre sie weniger
überrascht gewesen, als sie es von der Ankunft Mr. Kileys war.
Denn
schließlich besaß sie allen Grund zu glauben, daß er tot wäre.
Lucas blieb
auf der schmalen Veranda stehen, um seinen Hut auszuschütteln und den Schnee
von seinen Stiefeln zu
stampfen. Rebecca eilte zu dem großen Ofen, unfähig, Mr. Kileys Blick noch
länger standzuhalten, weil ihr beim besten Willen keine vernünftige Erklärung
für ihre Anwesenheit auf seiner Farm einfiel.
»Ich
vermute, daß Sie hungrig sind«, sagte sie und bot ihre ganze Willenskraft auf,
um die Worte ruhig und belanglos klingen zu lassen.
»Wie ein
Bär«, stimmte Lucas zu. Seine Stimme war tief, so wie sie sie in Erinnerung
bewahrt hatte.
Sie
schenkte Kaffee aus der kleinen blauen Emaillekanne ein –
die sie, wie alles andere in diesem solide gebauten Farmhaus, inzwischen als
ihr Eigentum betrachtete. Und
dabei hatte sie sich die ganze Zeit nur etwas vorgemacht, denn das Haus und
die Farm waren Mr. Kileys Besitz, mit allem, was dazugehörte.
»Setzen Sie
sich doch bitte«, sagte sie und errötete, als ihr bewußt wurde, daß sie den
Mann gerade eingeladen hatte, an
seinem eigenen Tisch Platz zu nehmen. Er nahm den Becher Kaffee mit einer Hand,
und aus dem Augenwinkel sah Rebecca, daß er die leuchtendroten Samtstücke
betrachtete, die den Tisch bedeckten.
»Sie sind
ein gutes Stück weitergekommen in der Welt, seit ich Sie zuletzt gesehen habe«,
bemerkte er. Es lag kein Groll in seinem Ton, keine Spur von Anklage, und doch
glaubte Rebecca, sich verteidigen zu müssen.
»Ich trage
keinen Samt, Mr. Kiley«, sagte sie knapp und wandte sich ab, um zum
Fliegenschrank zu gehen, in dem sie die
Reste des Abendessens vom Tag zuvor aufhob. »Ich nähe für jene, die sich solche
Dinge leisten können, um mir meinen Lebensunterhalt zu verdienen.«
Lucas
bedachte das kalte Fleisch und die Gemüsepastete, die Rebecca vor ihn
hinstellte, mit einem anerkennenden Blick, bevor er seinen Schal ablegte und
seinen schweren Schafsfellmantel auszog. Das kurze, schiefe Lächeln,
das er Rebecca schenkte, bewirkte ein warmes, wohliges Gefühl in ihr. »Ich
erwarte eine Erklärung«, sagte er, als er die Gabel nahm, die sie ihm gab, und
dann mit Appetit zu essen begann.
Rebecca
hätte Lucas jetzt vielleicht gesagt, was sie nach Cornucopia und auf diese
bescheidene Farm gebracht hatte, wenn nicht in diesem Augenblick die Tür
aufgerissen worden wäre. Annabelle und Susan stürmten herein, mit von der
Kälte geröteten Gesichtern und Augen, die vor Neugier funkelten, als sie Lucas
am Tisch erblickten.
»Sind das
Ihre Pferde und Ihr Wagen, Mister?« fragte Annabelle, während sie von einem Fuß
auf den anderen hüpfte, um ihre Stiefel auszuziehen, und ihre Zähne benutzte,
um ihre wollenen Handschuhe abzustreifen.
»Ja.«
Lucas' grüne Augen zwinkerten in stiller Belustigung, als er das Kind
betrachtete. Er ist kein gutaussehender Mann im eigentlichen Sinne, dachte
Rebecca, aber er hat etwas Solides, Zuverlässiges an sich, das ihn sehr
anziehend erscheinen läßt.
Susan, der
es gelungen war, ihre Wintersachen mit müheloser Anmut abzulegen, bewahrte
Abstand. »Sind Sie ein Pensionsgast?« fragte sie. »Wenn ja, sind Sie zu spät
gekommen, denn Mr. Pontious übernachtet freitags abends immer in dem Zimmer in
der Scheune, wenn er auf dem Weg nach Spokane ist, um Vorräte einzukaufen. Einmal
ist er sogar eine ganze Woche
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