Linda Lael Miller
Gelegenheit bekam, die Fotos zu sehen, die Duke Jones von ihr
gemacht hatte ...
Aber
Rebecca verwarf die Idee, bevor sie Zeit hatte, Wurzeln in ihr zu schlagen.
Eine Lüge hätte ihr Leben mit Lucas nur vergiftet.
»Du würdest
mich nicht haben wollen, wenn du die Wahrheit wüßtest«, sagte sie, nachdem ein
langes, ungemütliches Schweigen zwischen ihnen entstanden war.
Er
verstärkte seinen Griff um ihre Hand, aber die Geste verriet nur Zuneigung,
keinen Ärger und auch keine Ungeduld. »Dann erzähl mir doch dein schreckliches
Geheimnis«, forderte er sie freundlich auf.
Sie hatte
eigentlich bis zum nächsten Tag warten wollen, doch jetzt begriff Rebecca, daß
sie nicht fähig sein würde, diese Bürde noch so lange zu tragen. Sie war ihr
jetzt schon unerträglich.
»Also gut«,
stimmte sie zu und erhob endlich wieder den Blick zu Lucas, als sie in die
Tasche ihres Rocks griff und die Fotografie herauszog, die Jones ihr in Spokane
gegeben hatte. »Das ist mein Geheimnis.«
Lucas nahm
das Bild und starrte es zunächst in offensichtlicher Verwirrung an, die sich
jedoch sehr schnell in Schock verwandelte. Alle Farbe wich aus seinen Wangen,
und als er Rebecca endlich wieder ansah, erkannte sie unbändige Wut in seinem
Blick.
»Warum?«
fragte er nur, aber dieses einzige Wort hallte durch die stille Küche wie ein
Kanonenschuß.
Rebecca
hatte damit gerechnet, daß er sie verdammen würde, und versucht, sich dagegen
zu wappnen, aber nichts hatte sie vorbereitet auf die ungläubige Fassungslosigkeit,
mit der er sie in diesem Augenblick betrachtete. »Weil er mich dafür bezahlt
hat«, wisperte sie, weil sie kein lautes Wort über ihre Lippen brachte. »Ich
brauchte das Geld, damit die Zwillinge und ich nach Westen reisen konnten.«
Lucas
betrachtete das Bild noch einmal, und eine Vielzahl beunruhigender Emotionen
huschte über sein Gesicht. »Wie viele dieser Bilder gibt es?« fragte er nach
ausgedehntem Schweigen. »Wie viele Männer haben dich so gesehen, Becky?«
Sie sprang
auf, getrieben von Qual, Scham und hilfloser Empörung. »Ich weiß es nicht«,
sagte sie, als sie endlich wieder imstande war, zu sprechen, und mit dem
Rücken zu Lucas am Fenster stand. »Jones hat die Fotoplatten, er kann also so
viele Abzüge machen, wie er will.«
Einen
Moment lang schien der ganze Raum zu vibrieren von der Macht ihrer Emotionen.
Doch dann stand Lucas auf und ging zur Tür, wo er sich nicht einmal damit
aufhielt, seinen Hut und seinen Mantel vom Haken an der Wand zu nehmen.
»Deshalb bist du also nach Spokane gefahren?« fragte er, als die Küche sich mit
der winterlichen Kälte füllte, die nicht einmal entfernt an die Kälte seines
Zorns heranreichte. »Weil Jones dort ist?«
»Ich wollte
ihn bitten, die Platten zu vernichten«, erwiderte Rebecca leise.
»Aha. Und
wenn es dir gelungen wäre, hättest du mich genauso an der Nase herumgeführt,
wie du es bisher mit den Stadtbewohnern ...« Rebecca wirbelte zu ihm herum,
ganz wild vor Kummer und Verzweiflung. »Nein, Lucas!« schrie sie. »Ich wollte
es dir sagen, ganz gleich, was auch passierte. Ich hätte nie versucht, dich auf
diese Weise hinters Licht zu führen!«
Lucas'
Zweifel und Verachtung malten sich deutlich auf seinen Zügen ab; es war nicht
nötig, daß er sie in Worte faßte. Stumm wandte er sich ab, ging hinaus und
schlug krachend die Tür hinter sich zu.
Nachdem
eine lange Zeit verstrichen war und Rebecca über das
laute Pochen ihres Herzens endlich wieder etwas hören konnte, vernahm sie
dumpfe Hammerschläge aus der Scheune. Lucas hatte sich in seine Werkstatt
zurückgezogen.
Die Mädchen
kehrten nach einer Stunde Schlittenfahren zurück, durchfroren bis auf die
Knochen, aber erfüllt von weihnachtlicher Freude. Sie tranken heiße Schokolade
und aßen die Sandwiches, die Rebecca für sie vorbereitet hatte, und danach
gingen sie ins Wohnzimmer, um mit ihrem Puppenhaus zu spielen. Als Rebecca kurz
darauf nach ihnen schaute, hatten sie sich wie zwei kleine Katzen auf dem
Teppich vor dem Kamin zusammengerollt und schliefen tief und fest.
Mit einer
warmen Decke, die sie von oben geholt hatte, deckte sie sie zu und kehrte dann
in die Küche zurück. Da sie nicht wußte, was sie sonst tun sollte, schälte sie
Kartoffeln für das Essen und backte eine Apfeltorte zum Dessert. Dann setzte
sie sich an den Ofen, reglos, als wäre sie schon tot, hielt ihren kostbaren
Nähkasten aus Zedernholz auf dem Schoß und starrte blicklos in die kalte,
makellose
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