Linda Lael Miller
erinnerte.
Nach einem
Mittagsmahl aus belegten Broten und einer leichten Suppe, als die Zwillinge
erschöpft vom Rodeln und der
frischen Luft einen Mittagsschlaf hielten, erschien Mary Daniels auf ihrem
kleinen Apfelschimmel, in einem Umhang mit Kapuze und einem Weidenkorb an einem
Arm.
Es gab nur
einen Menschen auf der Welt, den Rebecca jetzt lieber gesehen hätte, und das
war Lucas. Rasch brühte sie Tee auf, während Mary sich am Küchenherd aufwärmte.
»Ich bin
gekommen, um mir die Möbel anzusehen, die Lucas geschreinert hat«, sagte die
Besucherin. »Es ziehen ständig
neue Leute her, scheint es, und ich glaube, seine Tische, Stühle und Betten
ließen sich in meinem Laden sehr gut verkaufen.«
Rebecca gab
Teeblätter in die Keramikkanne und trug sie zum Tisch, bevor sie Tassen, den
Zucker und die Milch holte.
»Lucas ist ein guter Handwerker«, antwortete sie und hoffte,
daß ihre Stimme nicht zuviel von dem verriet, was sie gerade durchmachte. »Er
hat ein Puppenhaus für die Zwillinge
gebaut und einen Schlitten, der mindestens so schnittig ist wie jeder andere,
den man in einem Laden kaufen kann.«
Mary trat
neben Rebecca und ergriff sanft ihren Arm. »Hast du Lucas schon von den
Fotografien erzählt?«
Tränen
stiegen in Rebeccas Augen auf, so plötzlich, daß sie sie blendeten. »Ja«,
erwiderte sie heiser. »Und es kam genauso, wie ich erwartet hatte. Er erträgt
es nicht mehr, mich anzusehen, Mary. Er ist gestern abend in den Wagen
gestiegen und fortgefahren, und ich habe keine Ahnung, wohin er sich gewendet
haben könnte ...«
»Nimm es
nicht so schwer«, sagte ihre Freundin beruhigend. »Er wird schon wiederkommen,
sobald er die Sache gründlich durchdacht hat und begreift, daß du damals nur
getan hast, was du als deine einzige Möglichkeit angesehen hast. Stell dir
vor, du wärst in Chicago geblieben – dann würden die Zwillinge heute neben dir
in derselben Fabrik arbeiten, in der du geschuftet hast.«
Rebecca
nickte bedrückt. »Ich wollte ihnen ein besseres Leben bieten«, flüsterte sie.
»Doch statt dessen wird mir jetzt nichts anderes übrigbleiben, als Annabelle
und Susan in irgendein Internat oder Waisenhaus zu schicken.«
»Unsinn!«
unterbrach Mary sie. »Eher würde ich die Kinder selber nehmen, bevor ich
zuließe, daß du so etwas tust. Aber da wir gerade davon reden – wie sehen denn
deine Pläne für die Zukunft aus?«
Ein
Schluchzen unterdrückend, stand Rebecca auf, ging zu ihrem Nähkasten und nahm
die Annonce heraus, die sie einige Tage zuvor aus der Zeitung ausgeschnitten
hatte. »Ich werde heiraten«, sagte sie mit zittriger Entschlossenheit. Und
mir nie wieder einen Traum erlauben.
»Großer
Gott«, rief Mary entsetzt, nachdem sie die Anzeige gelesen hatte. »Das kannst
du nicht tun, Rebecca! Das lasse ich nicht zu! Willst du dich etwa auf Gnade
oder Ungnade irgendeinem abscheulichen Mann ausliefern, den du gar nicht
kennst?«
»Es ist
entschieden«, sagte Rebecca brüsk und riß Mary die Annonce wieder aus der Hand.
»Aber du
könntest doch auch in Cornucopia bleiben – vielleicht einen kleinen Laden für
Kleider und Miederwaren eröffnen ...«
Rebecca
schüttelte den Kopf. »Selbst wenn das möglich wäre – und ich habe nicht das
Geld, um ein Geschäft zu eröffnen –, würde ich es nicht ertragen,
hierzubleiben. Ich würde es nicht aushalten, so nahe bei Lucas zu sein und mit
anzusehen, wie er sich eine richtige Frau nimmt und sie auf diese Farm bringt,
um hier mit ihr zu leben.«
»Mir
scheint, daß deine Schlußfolgerungen etwas übereilt sind«, wandte Mary
nüchtern ein. »Jeder Narr kann sehen, daß Lucas Kiley dich liebt, genauso, wie
du ihn liebst. Warte noch ein bißchen, Rebecca. Laß ihm Zeit.«
Rebecca,
die sich an den Blick erinnerte, der in Lucas' Augen erschienen war, nachdem er
die Fotografie gesehen hatte, seufzte nur. Wenn er sie dabei erwischt hätte,
wie sie sich prostituierte, hätte er nicht schockierter sein können.
Nicht
einmal die gesamte Ewigkeit hätte genügt, um die Wunden zu heilen, die sie ihm
zugefügt hatte. »War es dir ernst damit, als du sagtest, du würdest die Mädchen
zu dir nehmen?« fragte sie und wagte es kaum zu hoffen. »Sie sind jetzt alt
genug, um dir im Laden zu helfen, und ich würde dir für ihren Unterhalt soviel
Geld schicken, wie ich kann.«
Mary
umarmte Rebecca. »Ja, es war mir ernst, aber ich glaube trotzdem nicht, daß es
soweit kommen wird. Denk über meine Worte nach und gib den Kampf nicht
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