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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denn dein Herz kennt den Weg
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glänzenden schwarzen Leder seiner hohen Reitstiefel.
    Sorgfältig
formulierte Katherine ihre nächste Frage. »Wie wirst du den Jungen nennen?«
    Langsam
wandte Gavin sich zu ihr um und sah sie an, aber seine schiefergrauen Augen
blickten kalt und mißtrauisch. Es gelang ihm nicht ganz, sein Erstaunen über
die Frage zu verbergen, obwohl Katherine sehen konnte, daß er sich große Mühe
gab. »Wie ich ihn nennen werde?«
    »Natürlich,
er ist schließlich dein Sohn«, entgegnete sie und wünschte, ebenfalls Ansprüche
auf diesen wunderschönen kleinen Jungen erheben zu können. Sie erinnerte sich
kaum noch an ihr altes Leben – falls es tatsächlich ein Leben gewesen war und
nicht nur eine Illusion – aber sie wußte, daß sie sich schon nach einem Kind
gesehnt hatte, als sie ihre erste Puppe im Arm gehalten hatte.
    Gavins
Antwort war ein grausames kleines Lachen. »Ist er das tatsächlich?« gab er
zurück, bevor er sich wieder dem Kamin zuwandte.
    Katherine
spürte Tränen in ihren Augen aufsteigen, aber sie weigerte sich, ihnen freien
Lauf zu lassen. Irgendwie, durch einen Instinkt, der ihr auf seltsame Weise
wie eine Art Erinnerung vorkam, wußte sie, daß dieser Mann nicht freundlich auf
Tränen reagieren würde. »Deine Frau war dir also untreu«, sagte sie leise.
Wieder lachte er, und es klang höhnisch, hart und böse. »Ja«, bestätigte er und
wandte sich mit über der Brust verschränkten Armen zu ihr um. »Das warst du
allerdings. Und bist es immer noch.«
    »Warum hast
du dich dann nicht von mir scheiden lassen?«
    Gavin
lächelte höflich. »Glaub mir, Liebling, es gibt nichts, was ich lieber täte,
doch selbst in unserem gloriosen, wunderbar modernen Jahre achtzehnhundertfünfundneunzig
sind solch simple Dinge schlicht unmöglich.«
    Katherine
richtete sich betroffen auf, weil sich plötzlich eine ganze Reihe geistiger
Puzzleteilchen zusammenfügten. Die primitive Entbindung, die Gaslampen an den
Wänden, Gavins eigenartig formelle Kleidung, die bodenlangen Kleider, die die
Frauen trugen ... »Achtzehnhundertfünfundneunzig?« wiederholte sie beinahe
ehrfürchtig.
    »Bitte«,
sagte Gavin mit einem leidgeprüften Seufzer. »Keins deiner kleinen Dramen
bitte. Du weißt sehr gut, wer du bist, wo du bist und was du getan hast. Und
wenn ich in dieser Angelegenheit irgend etwas zu sagen habe, wirst du es nie
vergessen.«

2. Kapitel
    Katherine fühlte sich auf unerklärliche Weise
von Gavins Abneigung gekränkt und war zutiefst beunruhigt von Erinnerungen, die
unmöglich Erinnerungen sein konnten. Denn ihre emotionale Reaktion auf ihn
während ihrer ersten
Begegnung war Wiedererkennen gewesen und nicht Entdeckung.
    Sie wandte
für einen Moment den Blick ab und zupfte an der kostbaren Spitze, die das Laken
säumte, unter dem sie lag. »Angenommen, ich würde dir jetzt sagen, ich sei gar
nicht die Katherine, die du kennst«, meinte sie heiser. »Was würdest du sagen,
wenn ich dir erklärte, daß ich in Wirklichkeit eine völlig andere Frau bin, aus
einer anderen Zeit?«
    Gavin
verschränkte die Hände hinter dem Rücken und wiegte sich auf seinen
Stiefelabsätzen. »Dann würde ich darauf antworten, daß es dich nicht vor meiner
Vergeltung schützen würde, so zu tun, als hättest du den Verstand verloren«,
erwiderte er, und sein Ton ließ eine eisige Kälte in dem ansonsten behaglich
warmen Raum entstehen. »Aber es könnte dich durchaus in ein Asyl für Geisteskranke
bringen, Katherine.«
    »Vergeltung?«
Katherine schluckte. Die bloße Andeutung einer Institution für
Geisteskranke des neunzehnten Jahrhunderts ließ sie augenblicklich auf der Hut
sein.
    Gavin
lächelte grausam. »Ich habe dich an unserem Hochzeitstag geliebt, Katherine«,
sagte er. »Wenn ich noch immer zärtliche Gefühle für dich hegte, würde ich dich
vielleicht einfach irgendwohin schicken, mit einer kleinen Rente und einem
Dienstmädchen, um dann in Ruhe mein Leben fortzusetzen. Doch mein fataler
Fehler, leider Gottes, ist, daß ich dich genauso gedemütigt sehen will, wie du
mich erniedrigt hast, genauso betrogen, wie du mich betrogen hast.« Er trat ans
Fußende von Katherines Bett, und seine Fingerknöchel traten weiß hervor, als er
den Bettpfosten umklammerte. Seine grauen Augen glitzerten wie Frost auf Stahl,
als er sie ansah. »Diesmal, Kathy, wirst du diejenige sein, die von den Leuten
bemitleidet und verachtet wird.«
    Katherines
Kehle wurde eng. Sie liebte diesen Mann nicht, kannte ihn nicht einmal,
und doch empfand sie

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