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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denn dein Herz kennt den Weg
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sich des Unfalls zu entsinnen. Aber nicht einmal die Spur einer
Erinnerung erhellte ihren Weg. Sie hatte keine Ahnung, wer dort stehen würde,
wenn sie hinter den Namen schaute, an den sie sich erinnerte.
    Der Schmerz
war unerträglich, am liebsten hätte Katherine aufgeschrien vor Qual, aber sie
brachte keinen Ton heraus. Trotz seiner unfaßbaren Leiden war ihr Körper steif,
kalt und leblos wie eine Marmorstatue, während ihr Geist mit jedem Augenblick
an Kraft gewann, eine Flamme, die heller und heller brannte. Ein unbeschreibliches
Gefühl der Freude flammte in ihr auf, das in vollkommenem Gegensatz zum Elend
ihrer zerschlagenen Glieder und Organe stand.
    Sie spürte,
wie eine einzelne Träne sich in den Wimpern ihres rechten Auges sammelte.
    Die Stimme,
die Katherine hörte, war männlich und rauh vor Emotion. »Sehen Sie doch – sie weint!
Es könnte sein, daß sie jetzt wieder zu sich kommt, nicht wahr?«
    Katherine
fühlte, wie sich eine starke Hand um ihre schloß, während die Stimme wie Balsam
ihre Seele streichelte.
Jeremy. Einige wenige schwache Erinnerungen kehrten zurück. Das war ihr Bruder
– dort, in jener anderen Dimension, an jenem Ort des Wachseins und der Vernunft
– der mit aller Kraft versuchte, sie zurückzuhalten.
    Ihr Herz
zog sich zusammen. Sie hätte praktisch alles gegeben für die Chance, sich von
ihm verabschieden zu können, aber ihre Lippen hätten ebensogut aus Marmor sein
können, so kalt und unbeweglich waren sie. Es gelang ihr nicht einmal, die
Augenlider zu bewegen.
    Ich will
leben, dachte
Katherine verzweifelt, mit der letzten Kraft, die ihr geblieben war. Es
gibt so vieles, was ich noch gern getan hätte!
    Die
Maschinen begannen seltsame Geräusche von sich zu geben, und hektische
Aktivität entstand um Katherine herum.
    »Ich hole
den Arzt ...«
    »...
Herzmassage ...«
    »Bitte, Mr.
Hollis ... keine Zeit ... Wartezimmer ...«
    »Nein!
Kathy ...« Das war Jeremys Stimme, aufgeregt und jung. Jeremy, den sie in einem
roten Wägelchen gezogen hatte, als sie noch Kinder gewesen waren, über die
holprige Einfahrt mit dem Unkraut, das zwischen den Platten wuchs ...
    Im nächsten
Augenblick hüllte Katherine ein Licht ein, das heller und strahlender war als
der Schein von tausend Frühlingssonnen. Es dauerte einen Moment, bis sie
begriff, daß eine subtile Veränderung in Form und Substanz ihres Körpers
stattgefunden hatte.
    Sie war
immer noch dieselbe und doch anders, als sie auf einer bogenförmigen Brücke
stand, die aus vielfach geschliffenem Kristall zu bestehen schien.
    »Ich will
nicht sterben«, sagte sie entschieden, weil sie wußte, daß dort in diesem Licht
jemand war, der ihren Einwand hören und beachten würde. »Ich war noch nie
verliebt, habe noch nie einen Kranz aus Blumen für mein Haar geflochten und
noch nie ein langes Ballkleid angehabt ... Und ich hatte auch noch nie ein
Baby ...« Sie hielt einen Moment inne, um dann in klagendem Ton hinzuzusetzen:
»Bitte, lieber Gott, ich will nicht sterben.«
    Und das war
der Moment, in dem sie die andere Stimme hörte – rufend, flehend und
beschwörend. Ein leidenschaftlicher, weiblicher Schrei, der die Pforten des
Himmelreichs bestürmte.
    »Nicht ...
bitte nicht ... o Gott, hilf mir ... laß mich sterben ...«
    Ein
Intervall grenzenlosen Friedens entstand, gefolgt von einer stummen Antwort aus
dem gleißenden, unaussprechlich schönen Licht. Ich habe dir Gehör
verliehen.
    Unmittelbar
darauf wurde Katherine von einem Wirbelwind aus irisierendem Feuer erfaßt.
Hals über Kopf stürzte und taumelte sie durch einen kristallenen Tunnel, an
dessen Ende sie mit einem abrupten, harten Aufprall landete.
    Freude
erfüllte sie. Sie war wieder in ihrem Körper; sie konnte ihren Herzschlag
spüren, die feuchte Spannung ihrer Haut und die Bewegung ihrer Finger. Viel,
viel besser jedoch noch war, daß sie wieder bei vollem Bewußtsein war und
sehen konnte.
    Eine steile
Falte bildete sich auf ihrer schweißglänzenden Stirn. Sie war nicht mehr im
Krankenhaus; der Raum, in dem sie sich befand, hatte hohe Decken mit
Gipszierleisten und war mit einer rosa Tapete mit Silberstreifen tapeziert,
und statt der üblichen Gitter zu Kopf und Fuß des Betts sah sie massive
Mahagonipfosten, mit geschnitzten Tannenzapfen verziert.
    Ihr Bauch
war nackt und sah wie eine überreife, mit Haut bespannte Wassermelone aus. Ihre
nackten Beine waren angezogen, ihre Schenkel gespreizt, und dazwischen stand
ein alter Mann und betrachtete stirnrunzelnd

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