Linda Lael Miller
ihre intimste Körperstelle.
Katherine
war plötzlich sicher, daß sie irgendeine Art verrückten Traum hatte, voll
freudianischer Bedeutungen.
Sie
erkannte weder ihren Körper noch den Raum. Nichts von dem, was sie hier sah,
konnte Wirklichkeit sein ...
Außer dem
Schmerz. Sie stieß einen gellenden Schrei aus. Der Schmerz war echt.
»Was, zum
Teufel, geht hier vor?« rief sie, als sie endlich wieder Atem fand.
Der
weißhaarige Mann schaute auf, welch intime Untersuchung er auch gerade
durchgeführt haben mochte, und sein gütiges Gesicht war eine Studie puritanischer
Entrüstung. »Also wirklich, Katherine, es besteht kein Grund zur
Gotteslästerung! Man sollte meinen, du würdest versuchen, dich zu bessern,
anstatt alles nur noch zu verschlimmern.«
»Es tut
weh«, keuchte sie. »Diese ganze Situation ist mir aufgezwungen worden ... ohne
die geringste Vorwarnung ... Nichts hat mich darauf vorbereitet ... Ich will
Morphium haben!«
»Mrs.
Winslow«, erwiderte der Arzt mit kaum verhohlener Ungeduld, »während des
Krieges habe ich Soldaten behandelt, die Arme und Beine verloren hatten. Doch
keiner dieser Männer hat sich je so aufgeführt wie Sie.«
»Sie haben
auch keine Kinder zur Welt gebracht!« stieß Katherine hervor, und dann schrie
sie wieder. Ihr war, als sei ihr Unterleib ein einziger großer Muskel, den sie
ebensowenig beherrschte, wie ein außer Kontrolle geratener Zug sich
beherrschen ließ. »0 Gott ... niemand hat mir je gesagt, daß es so schlimm sein
würde!«
»Hören Sie
auf, den Allmächtigen zu belästigen«, rügte der alte Mann. »Es hätte sich
besser geziemt für Sie, wenn Sie ihn ein bißchen früher um Rat gebeten hätten.«
Katherine
erinnerte sich an die Stimme, die sie auf der Kristallbrücke gehört hatte,
diese Stimme, die den Himmel um Gnade angefleht hatte ...
Ihr Körper
... dieser Körper, den sie nicht erkannte ... spannte sich wieder an und zuckte
heftig. Ihr baumwollenes Nachthemd klebte an ihrer Haut und war so durchnäßt
von ihrem Schweiß, daß es fast durchsichtig war.
»Pressen«,
befahl der Doktor brüsk. Sein Gesicht war angespannt vor Sorge. »Mary!« Er
brüllte den Namen, die
Tür ging
auf, und eine junge Frau in einem knöchellangen Kleid erschien.
»Ja, Dr.
Franz?« Das Mädchen machte große, erschrockene Augen und rang nervös die Hände.
»Hol
Gavin«, trug der Arzt ihr auf. »Auf der Stelle. Sag ihm, daß sein Kind jetzt
jeden Augenblick das Licht der Welt erblickt, falls er dabei sein will!«
Das
aufgeregte Dienstmädchen beeilte sich, den Auftrag zu erfüllen.
Katherine
stützte sich auf die Ellbogen, und Tränen rannen über ihre Wangen. »Warum sind
hier alle verkleidet?« stieß sie mühsam hervor, nachdem die nächste Wehe abgeklungen
war. »Und wer ist dieser Gavin?«
Dr. Franz
zog eine buschige Augenbraue hoch. »Es ist nicht nötig, daß Sie den Kränkungen
auch noch Beleidigungen hinzufügen, Mrs. Winslow, indem Sie so tun, als würden
Sie Ihren eigenen Mann nicht kennen.«
»Ich habe
keinen Mann«, erwiderte Katherine keuchend und umklammerte das Bettzeug, als
eine weitere Wehe ihren Körper schüttelte. »Und mein Name ist auch nicht Winslow,
sondern Hollis. Katherine Hollis.«
»Unsinn«,
entgegnete der Doktor brüsk. »Sie sind Katherine Simmons-Winslow. Ich kenne
Sie, seit Sie nach Seattle gekommen sind – möge der liebe Himmel diesem
unglückseligen Ort beistehen.«
Der
zerreißende Schmerz in Katherines Unterleib baute sich zu einem weiteren
Höhepunkt auf, und doch waren die Tränen, die über ihre Wangen rannen,
Freudentränen. Sie lebte! Sie wußte zwar nicht, wo sie war oder wie sie dahin
gekommen war, aber sie lebte noch!
Ein
ungeduldiges Klopfen ertönte an der Tür, doch Katherine war viel zu beschäftigt
mit der Wehe, um dem Geräusch Beachtung zu schenken. Als jedoch ein dunkelhaariger
Mann an ihrem Bett erschien, war sie wie vom Donner gerührt über sein gutes
Aussehen und ihr eigenes, erschütterndes Gefühl des Wiedererkennens. Sie hatte
dieses Gesicht in ihren Träumen tausendmal gesehen – daran erinnerte sie
sich, wenn auch an herzlich wenig mehr.
»Nett, daß
Sie doch noch erschienen sind, Gavin«, brummte Dr. Franz. »Kommen Sie,
Katherine – nur noch einmal pressen, dann ist es vorbei.«
Widerstrebend,
wie ihr schien, beugte sich Gavin vor und nahm ihre Hand zwischen seine Hände.
Selbst in diesem Zustand
höchster Verwirrung und noch größerer Qual durchzuckte sie ein freudiges
Erschauern bei der
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