Linda Lael Miller
Berührung.
Ihr Körper
bäumte sich auf der Matratze auf und schien den Befehlen ihres Gehirns nicht
mehr gehorchen zu wollen. Sie
klammerte sich an Gavins Hand, und ihr heiserer Aufschrei,
der halb Stöhnen war, halb Schrei, schallte von den Wänden dieses seltsamen,
altmodischen Zimmers wider. Die
Pein des Gebärens erreichte ihren Höhepunkt, doch dann folgte Erleichterung,
und Katherine fühlte etwas aus sich herausgleiten. Kurz danach ertönte der
wütende Schrei eines neugeborenen Kinds.
Sie sah,
wie Gavin für einen Moment seine stahlgrauen Augen auf das Neugeborene
richtete, sich dann jedoch abrupt
abwandte. Mit einem Blick, der sowohl Verachtung wie auch wütenden Schmerz
ausdrückte, wie ihr schien, starrte er auf Katherine herab.
»Sie haben
einen Sohn, Gavin«, verkündete Dr. Franz, als ob Katherine nicht das geringste
damit zu tun hätte.
Ein harter
Zug erschien um Gavins markantes Kinn, dann entspannte es sich wieder. Sein
Blick glitt verächtlich über ihr
Gesicht. »Kathy hat einen Sohn«, berichtigte er und ließ ihre Hand auf die
Matratze fallen, als hätte er sich daran verbrannt, bevor er sich abrupt
abwandte und den Raum verließ.
»Lassen Sie
mich das Baby sehen«, bat Katherine rauh. Später würde sie versuchen, sich über
all diese eigenartigen
Vorkommnisse klarzuwerden. Jetzt wollte sie nur das Kind sehen, das sie zwar
zur Welt gebracht, aber nie empfangen hatte.
Er war
klein und rot und mit Schleim bedeckt, ihr neugeborener Sohn, aber sie konnte
sich nicht einmal einen Weihnachtsengel
vorstellen, der bezaubernder gewesen wäre.
»Hallo,
mein Schöner«, sagte sie und verspürte trotz ihrer Erschöpfung eine
überwältigende Freude, als ein winziges Händchen sich um ihren Finger schloß.
Die andere Seite der Kristallbrücke erschien ihr inzwischen längst mehr wie ein
Traum als wie etwas Reales; es war fast wie etwas, das nur in ihrer Einbildung
existierte. »Ich hoffe, wir können Freunde werden. Denn falls du es noch nicht
bemerkt hast, bin ich nicht gerade sehr beliebt hier.«
Dr. Franz
tat schmerzhafte Dinge mit ihr, Dinge, über die sie lieber gar nicht
nachdachte. Eine Indianerin in einem schlichten Kattunkleid, knöchellang wie
das des Dienstmädchens, nahm ihr das Baby ab und ging hinaus. Katherine war
plötzlich viel zu schläfrig, um zu protestieren.
Mehrere
andere Frauen kamen herein, und alle sahen aus, als wären sie einer Episode der
Serie »Das kleine Haus in der Prärie«, entsprungen, mit aufgestecktem Haar und
Röcken, deren Säume über den Boden schleiften. Sie halfen Katherine aus dem
Bett, wuschen sie und zogen ihr ein frisches Nachthemd an, und die Laken ihres
Betts waren glatt und frisch und sauber, als sie Katherine wieder hinlegten.
»Sie sollen
das hier nehmen«, sagte eine der Frauen und goß eine Flüssigkeit aus einer
braunen Flasche auf einen Löffel. »Dr. Franz hat es für Sie dagelassen.«
Gehorsam
öffnete Katherine den Mund und nahm die Medizin, die so schmeckte, wie das
Benzingemisch roch, mit dem ihr Rasenmäher betrieben wurde. Dann ließ sie sich
in die weichen Kissen fallen und spürte, wie ihr die Augen zufielen. »Gavin
haßt mich«, sagte sie seufzend und gähnte ausgiebig.
Es war nur
noch eine Frau im Raum; sie hatte mit grauen Strähnen durchsetztes, braunes Haar
und hellgrüne Augen, und obwohl sie eine strenge Miene aufsetzte, lag ein
weicher Zug um ihren Mund. »Es ist ja auch nicht so, als ob Sie ihm keinen
Grund dazu gegeben hätten«, war
die Antwort. »Aber Sie haben ihm auch einen Sohn geschenkt. Ein Mann kann viel
verzeihen für ein derartiges Geschenk.«
Katherine
schloß die Augen, zu müde, um das Gespräch fortzusetzen, und fast
augenblicklich schlief sie ein und träumte. Obwohl sie wieder das gleißend
helle Licht und die Brücke aus geschliffenem Kristall sah, näherte sie sich
ihnen nicht, und als sie erwachte, entdeckte sie ihren neugeborenen Sohn in
einer kunstvoll geschnitzten antiken Wiege neben ihrem Bett. Ihr Herz zog sich
zusammen, als sie Gavin vor dem Kamin knien sah, wo er ein Feuer entzündete,
um die frühabendliche Kälte zu vertreiben.
»Gavin?«
Seine
breiten Schultern versteiften sich unter dem feinen weißen Batiststoff seines
Hemds, aber er wandte sich nicht zu ihr um. Statt dessen richtete er sich zu
beeindruckender Größe auf und umklammerte mit starken, sonnengebräunten Händen
den Kaminsims. Das Licht aus den Gaslampen an den Wänden flackerte auf seinem
dunklen Haar und auf dem
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