Linda Lael Miller
frischgebacken
Plätzchen, die das ganze Haus mit dem köstlichen Aroma
von Schokolade, Zucker und Butter erfüllten, an einen Weihnachtsbaum mit
selbstgebasteltem Schmuck und glitzernden bunten Lichtern, an Tonleitern, die
irgendein gewissenhafter Schüler im Eßzimmer auf dem Piano übte ...
Katherine hatte
all das verloren und noch viel mehr, als Julia Hollis an Krebs gestorben war,
und die Trauer verfolgte sie sogar noch bis in das Leben dieser anderen Frau
...
»Ich bringe
Ihnen jetzt Ihren Tee«, sagte Maria und schloß die Tür.
Katherine
begann vor dem Kamin auf und ab zu gehen, von einer fast unerträglichen Unruhe
erfaßt. Sie erinnerte sich auch jetzt nur an einige wenige Einzelheiten ihrer
früheren Existenz, aber sie wußte, daß sie ein aktiver, energischer Mensch
gewesen war, der stets darauf geachtet hatte, genügend Bewegung zu bekommen.
»Diese
viktorianische Nummer mit dem Vogel im goldenen Käfig ist für mich nichts«,
gestand sie dem Baby, das zur Antwort leise seufzte.
Katherine
blieb stehen und betrachtete ihr Bild in dem eleganten Spiegel über dem Kamin.
Obwohl sie inzwischen Zeit gehabt hatte, sich mit ihrer Lage abzufinden, wenn
auch vielleicht nicht, sie zu verstehen, verblüffte es sie nach wie vor, das
Gesicht einer Fremden zu erblicken, wann immer sie in einen Spiegel schaute.
Aus der
Überlegung heraus, daß sie irgendeine Beschäftigung benötigte, ganz gleich, wie
unwichtig oder sogar dumm sie sein mochte, richtete Katherine den Blick auf die
Verbindungstür zu Gavins Zimmer. Wenn sie hinausgehen wollte, um ihre Umgebung
zu erforschen, brauchte sie Kleider, und die befanden sich offenbar in dem
Schrank, den Marianne am Tag zuvor betreten hatte.
Als
Katherine die Hand auf den Türknauf legte und versuchte, ihn zu bewegen, machte
sie sich auf einen ärgerlichen Schrei ihres Mannes gefaßt. Aber die Tür war
verschlossen, wie schon am Tag zuvor.
Ein Blick
auf die Uhr auf dem Kaminsims verriet ihr, daß es kurz nach neun Uhr morgens
war. Ein pflichtbewußter Arzt wie Gavin müßte sich doch eigentlich längst auf
den Weg zum Krankenhaus oder in seine Praxis gemacht haben ...
Nachdem
Katherine den Gürtel ihres Morgenrocks befestigt hatte, straffte sie die
Schultern, trat auf den Korridor hinaus und drückte kühn die Klinke einer der
großen Doppeltüren herab, die in das Schlafzimmer des Hausherrn führten.
Du tust ja
nichts Schlimmes, sagte sie sich beruhigend, während sie auf den Schrank
zuging, ohne auch nur einen Blick auf das massive Himmelbett zu werfen. Seit
sie dieses Bett am Tag zuvor gesehen hatte, bedrängten sie einige sehr verwirrende
Gedanken und Vorstellungen. Eine davon war, wie sie nackt auf diesem breiten
Bett lag, sich Gavin hingab und ihn stöhnend in sich aufnahm.
Als sie den
geräumigen Einbauschrank betrat, fand sie eine so unglaublich große Auswahl an
Kleidungsstücken, wie sie es nie erwartet hätte. Da waren Kleider aus Seide und
Organdy, aus Chiffon und Baumwolle, aus Samt und Seide. Die kostspielige
Schönheit dieser Kleider ließ ihren Atem stocken, und ein Bild erstand vor
ihrem inneren Auge, von einem kleinen Mädchen, das sich gern herausgeputzt
hatte, fern in einem anderen Jahrhundert, in einem anderen Universum.
Vorsichtig
nahm sie ein grünes Kleid mit einer kurzen Jacke von dem Bügel. Das Material
war ein federleichter Wollstoff, und beide Kleidungsstücke waren mit schwarzer
Seide abgepaspelt.
Sie war so
vertieft in die imponierende Vielfalt dieses Kleiderschranks, daß aller Atem
aus ihren Lungen wich, als sie sich umwandte und mit einer harten, muskulösen
Brust zusammenprallte.
In
Reithosen, mit nacktem Oberkörper und die Arme über der Brust verschränkt,
stand Gavin in der Tür zum Einbauschrank. Obwohl sein dunkles Haar noch wirr
vom Schlaf war und dunkle Bartstoppeln sein Kinn umgaben, sah er zu gut aus, um
wahr zu sein.
»Guten
Morgen«, sagte er gedehnt, und Katherine konnte sehen, daß ihr Unbehagen ihm
Vergnügen bereitete.
Heiße Röte
stieg in ihre Wangen, und aus dem Gedanken heraus, daß Angriff die beste
Verteidigung war, fragte sie in vorwurfsvollem Ton: »Was für eine Sorte Arzt
ist das, der um diese Zeit noch faul im Bett liegt?«
Er lachte,
und obwohl der Ton nicht eigentlich boshaft war, zerrte er an Katherines
ohnehin schon wunden Nerven. »Die Sorte Arzt, die erst um halb sechs heute
morgen aus dem Hospital zurückgekommen ist.«
Katherine
schluckte und wünschte, er möge sie vorbeilassen. »Wenn du
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