Lindenallee
anstrengende Arbeit der Farm ein. Ich war bei Wind und Wetter draußen, trug manche Blessur davon, verbrannte mir das Gesicht in der Sonne und es gefiel mir. Ich machte das Beste aus meinem Leben, was unter diesen Umständen möglich war.
Und so kam es, wie es einige auf der Farm schon lange voraussahen. Nur ich war der Letzte, der es bemerkte: ich fühlte mich zu Rosalie hingezogen. Sie schenkte mir Zuversicht, ihre Aufmerksamkeit und ihre Liebe. Allerdings konnte ich ihre Gefühle nicht in der Weise erwidern, wie sie es sich wünschte und hoffte. Sie wusste, meine große Liebe hatte ich in Deutschland gelassen und mein Herz bot nicht genügend Platz für eine zweite.
Manchmal hatte ich ein schlechtes Gewissen deswegen, aber sie nahm mir jedes Mal meine Zweifel mit ihrer mitreißenden Art. Sie war einzigartig. Ich denke immer noch, dass ich ihre Liebe gar nicht verdient hatte.
Die Nachricht vom Ende des Krieges drang erst sieben Wochen später zu uns durch. Wir hatten schon gar nicht mehr damit gerechnet.
Die Nachricht ließ mich nicht in einen Freudentaumel fallen. Mein Leben bewegte sich in neuen Bahnen, denn ich war mit Rosalie seit gut einem halben Jahr verheiratet. Ich hatte ihr ewige Treue geschworen, die ich nie und nimmer hätte brechen können. An dem Tag, als uns die Neuigkeit über den Frieden erreichte, sah ich das erste Mal Angst in den Augen meiner Frau. Sie hatte Furcht mich zu verlieren.
Ich nahm sie in den Arm und strich ihr zärtlich über die Wange. „Mach dir keine Sorgen, ich bin jetzt hier zu Hause und ich werde dich nicht verlassen.“
Erleichtert atmete sie aus und ihr angespannter Körper erschlaffte. „Ich bin sehr erleichtert. Für einen Moment dachte ich ...“
„ Sch“, beruhigte ich sie, „ich halte mein Versprechen. Hier ist mein zu Hause und du bist meine Frau.“
„ Friedrich?“ Sie blickte zu mir auf. In ihren Augen stand etwas, was ich nicht recht deuten konnte.
„ Ja?“
„ Ich bin schwanger.“
Mir wurde schlagartig die Tragweite bewusst, als sie das sagte. Sie hätte mir ihre Schwangerschaft verschwiegen und nicht als Mittel zum Zweck genutzt, um mich auf immer an sie zu binden.
Ich schloss sie fest in meine Arme und drückte ihr einen Kuss in das weiche Haar. „Du machst mich sehr glücklich“, flüsterte ich. Und so meinte ich es auch. Rosalie war eine wunderbare Frau. Auch wenn ich sie nicht von ganzem Herzen lieben konnte, so gab ich mir immer große Mühe, ihr ein guter Mann zu sein. Ich denke, das war ich auch.
Friedrich suchte den Blick von Magarete. Beinahe scheu sprach er sie an. „So wie du deinen Hannes gefunden hast, fand ich meine Rosalie. Diese Menschen haben uns in den schwersten Zeiten unseres Lebens zur Seite gestanden. Ich hoffe inständig, wir haben ihnen gezeigt, wie wertvoll sie in unserem Leben waren.“
Magarete nickte bedächtig und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. „Ich hole ihre Fotos. Ich glaube, du hast sie noch gar nicht gesehen, oder Paula?“ Magarete verschwand bereits im Haus, ihre Stimme klang brüchig.
Paula saß in ihrem Stuhl und verdaute die Worte von Friedrich und seinen Erlebnissen in Argentinien. Seitdem sie sich zu ihnen an den Tisch gesetzt hatte, war die Zeit unglaublich schnell vergangen und die Sonne stahl sich aus dem Hinterhof und hinterließ aufkommende Kühle. Paula blickte zu Friedrich hinüber, der einen erschöpften Eindruck machte. Nur seine Augen blickten klar zu ihr hinüber.
„Ich bin noch ganz mitgenommen“, gab Paula ehrlich zu. „Das ist echt der Hammer, deine und Magaretes Geschichte, das ist unglaublich. Und wie traurig, ach, ich kann das gar nicht richtig in Worte fassen, ich bin sehr ergriffen.“
„Das ist alles schon so lange her, aber die Erinnerung daran, ist sehr lebhaft geblieben. Im Alter spielt einem das Gehirn seltsame Streiche. Das Kurzzeitgedächtnis lässt nach, dafür ist das Langzeitgedächtnis erstaunlich munter. An manchen Tagen wirbelt es mich richtig durcheinander, das ist sehr irritierend. Manchmal erscheinen mir Erinnerungen aus der Vergangenheit näher als die Dinge, die ich Tage zuvor tat.“ Friedrich kratzte sich grübelnd am Kinn.
Magarete kam mit zwei gerahmten Bildern zurück und reichte sie Paula. Auf dem einen war Magarete mit Hannes abgelichtet. Das Bild war in ihren jungen Jahren aufgenommen worden. Sie hielten sich die Hände und blickten zufrieden lächelnd in die Kamera.
Das andere zeigte Friedrich mit Rosalie. Zwischen ihnen
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