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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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Das hat doch nichts mit diesem Krieg zu tun“, schrie ich meine Wut hinaus. Ohne es zu merken, rollten mir Tränen über das Gesicht. Ich war wütend, enttäuscht und haderte mit meinem Schicksal.
    Als Karl nach aufbauenden Worten für mich suchte, registrierte er aus dem Augenwinkel, wie der Mann aus der Post auf die Straße trat, uns einen wütenden Blick zuwarf und verschwand.
    Karl richtete sich auf. Das roch gewaltig nach Ärger.
    „ Friedrich, wir müssen sofort zu den Anderen. Der Mann aus der Post trommelt ein paar Leute zusammen.“
    „ Was?“
    „ Los, komm!“ Er zog mich am Ärmel mit und duldete keinen Widerspruch. Wir eilten durch die Straßen, zogen eine Menge fragender und neugieriger Blicke auf uns. Außer Atem kamen wir bei meinem Vater an. Die letzten Rinder wurden in Richtung Hafen getrieben, die Arbeit war fast erledigt. Das Gesicht meines Vaters war tief besorgt.
    „ Da seid ihr ja endlich. Es gibt schlechte Nachrichten. In Europa ist Krieg ausgebrochen.“
    „ Das haben wir gerade in der Post erfahren. Ich habe ein ungutes Gefühl. Bislang hatten wir Deutsche hier nie Probleme, aber die Stimmung könnte kippen. Wir sollten schnell unsere Besorgungen erledigen und verschwinden.“ Karl blickte ernst, normalerweise war der groß aufgewachsene Mann nicht so schnell zu erschüttern.
    Mein Vater nickte. Er bemerkte in der angespannten Situation nicht, wie niedergeschlagen ich war. Er sorgte sich ausschließlich um unsere Sicherheit.
    So schnell es ging, wurde das Geschäft mit den Rindern abgewickelt. Als nächstes kümmerten wir uns um die Besorgungen, die Irmgard auf einen langen Zettel geschrieben hatte. Gerade wenn man in Eile ist, werden die Schlangen in den Läden unendlich lang und der Betrieb auf den Straßen schleppend langsam. Es schien uns eine kleine Ewigkeit zu dauern, die Liste abzuarbeiten, ehe wir endlich die letzten Gegenstände auf unserem Wagen verstauten.
    Wir waren bislang unbehelligt geblieben, alles schien normal zu sein, bis wie aus dem Nichts aus einer Seitengasse der Mob auftauchte. Es waren viele Männer, die finster dreinblickten und Knüppel trugen, einige sogar Schusswaffen. Allen voran stand der Mann aus der Post. Er schlug fortwährend mit seinem Knüppel bedrohlich in die offene Hand. Aus den Augenwinkeln beobachteten wir die Männer, deren Aggression sich minütlich zu steigern schien. Betont gelassen bestiegen wir unsere Pferde, aber in meinem Blut schoss das Adrenalin in heißen Wellen hindurch, bereit zur Gegenwehr oder zur Flucht. Ich wusste nicht, was von beidem von Nöten sein würde, denn ich spürte, diese Situation könnte außer Kontrolle geraten, wenn ein Knall, ein Schuss fiel und wir in ein Chaos stürzen würden.
    Langsam ritten wir los, der vollbeladene Wagen war ein Ballast, der uns nur behäbig vorankommen ließ. Die aufgebrachte Menge blieb uns dicht auf den Fersen. Die Nachricht über die aufgewiegelte Ansammlung, die den verhassten Deutschen folgte, hatte sich in der Stadt wie ein Lauffeuer verbreitet. Die Menschen standen überall herum und harrten sensationsgierig der Dinge, die sich entwickeln würden.
    Ich kam mir erneut wie in einem Western vor, den ich gesehen hatte. Die Stadt wartete auf die große Schießerei zwischen den Guten und den Bösen. Aber wer war hier der Böse? Wir doch nicht, wir hatten nichts getan! Im Schneckentempo ging es durch die Straßen. Eine seltsame, bedrohliche Atmosphäre folgte uns, als die Menschen gebahnt unserem Treck hinterhergafften.
    Es glich einem Wunder, dass wir ungehindert zur Stadtgrenze kamen, obwohl uns die folgende Menschenmasse bedrohlich im Nacken saß. Ein ständiges aggressives Murmeln ließ die Haare an meinen Armen abstehen. Aus der Menge heraus riefen einzelne Männer wütend etwas hinter uns her.
    „ Was sagen sie?“, fragte ich Karl eingeschüchtert.
    Er schüttelte den Kopf. „Das willst du gar nicht wissen, glaube mir.“
    Ich schluckte. Vielleicht riefen sie so etwas wie „hängt sie an den Galgen“. Mir war mulmig zu Mute, solch eine aufgeladene Atmosphäre, die nach Blut gierte, hatte ich noch nie am eigenen Leib gespürt. Mein Magen krampfte sich zusammen, als wir die Stadt verließen. Ich erwartete immer noch, dass ein Schuss fiel und ich in den Rücken getroffen wurde, aber nichts geschah. Wir verließen, wie erwähnt, wie durch ein Wunder unbeschadet die Stadt.
    Die Warnung hatten wir verstanden: setzt keinen Fuß mehr in diese Stadt. Das könnte uns sonst das Leben

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