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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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Versprechen ab, von dem ich nie im Traum gedacht hätte, sie würde so etwas von mir verlangen.“ Friedrich versank in die Zeit zurück und die Gefühle stürmten unvermittelt auf ihn ein. Fahrig fuhr er sich über die Augen, als er mit leiser Stimme weitersprach:
    Rosalie war sehr schwach und flüsterte nur noch. Ihre Lippen waren weiß und schmal. Ich beugte mich dicht zu ihr hinab. Zuerst verstand ich sie nicht. Sie wiederholte es und meine Augen weiteten sich ungläubig.
    „Geh nach Deutschland und suche Magarete“, sagte sie.
    Ich wies ihren Vorschlag energisch zurück. Sie ließ sich nicht beirren und griff mit letzter Kraft nach meiner Hand.
    „Tu es für mich. Erzähle ihr, wie dein Leben war. Erzähl ihr von mir. Ich hätte sie gerne kennengelernt“, fügte sie mit Aufbringung letzter Kraftreserven hinzu.
    Ich war sprachlos, die Tränen liefen über mein Gesicht und fielen auf die weißen Laken. Ich küsste Rosalie auf ihre Lippen.
    „Ich verspreche es“, flüsterte ich ihr ins Ohr. „Ich werde ihr erzählen, welch wunderbare Frau ich habe. Ich liebe dich, Rosalie.“
    Ihre Lippen lächelten schwach und ihr Gesicht wirkte entspannt und zufrieden, beinahe glücklich. Sie drückte meine Hand, ein letztes Mal. Dann lag sie mit geschlossenen Augen da und ich wachte bei ihr. In Gedanken begleitete ich sie beim Hinübergleiten in die andere Welt. Irgendwann atmete sie nicht mehr. Ihre Seele war fort.
    Friedrich schwieg und rieb sich ergriffen die Stirn. „Meine Rosalie ist ein besonderer Mensch gewesen. Ihre Großherzigkeit in der Stunde des Todes“, ihm versagte die Stimme. Er schüttelte ungläubig den Kopf.
    Paula standen Tränen in den Augen. Magarete blickte nachdenklich auf ihre im Schoß ruhenden Hände hinab, ehe Friedrich sich in der Lage sah, weiterzusprechen.
    „Ich brauchte zwei Jahre, bis ich mich durchrang, ihren letzten Wunsch zu erfüllen. Ich hätte meinen Lebensabend auch auf der Farm verbringen können, aber was sollte ich dort? Alle, die mir lieb und teuer waren, lagen vereint unter der Erde und mein Sohn war für mich unerreichbar weit entfernt in Deutschland. Die Sehnsucht nach ihm trieb mich an, meine Sachen zu packen und nach Berlin zu fliegen. Das erste und einzige Mal in meinem Leben, das ich geflogen bin. Und ich habe es bis heute nicht bereut. Ich konnte meinem Sohn nahe sein. Er zeigte mir die Stadt und seine Arbeitsstelle in der Klinik. Die Stadt selber begeisterte mich weniger: zu laut, zu hektisch. Ich war die Weite und Ruhe von Argentinien gewohnt. Eine Zeitlang hielt ich es in der aufstrebenden Metropole aus, bis ich mich entschloss, ein letztes Mal umzuziehen. Ich zog zurück nach Lucklum, in meine alte Heimat, auch wenn diese nur für kurze Zeit Dreh- und Angelpunkt meiner kleinen Welt gewesen ist. Aber eine meiner wichtigsten Lebensstationen. Den Rest kennt ihr.“
    Magarete erhob sich abrupt. „Ich finde, es ist Zeit für einen Schlehenschnaps. Ich hole ihn und wir stoßen an und gedenken denen, die nicht mehr bei uns sind.“
    „Gute Idee“, rief Paula ihr hinterher, „ich bin voll durch den Wind.“
    „Da hilft am besten ein Schlehenschnaps“, erwiderte Friedrich und seine Stimme gewann ein wenig von der leisen Ironie zurück, die sie sehr gerne an ihm mochte.
    Paula lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Sie fühlte sich ausgepowert wie nach einem anstrengenden Zirkeltraining zu Schulzeiten. Der Körper war erschöpft und der Geist völlig leer. Ein Schlehenschnaps würde es wieder richten!
     
    „Hallo Akay.“ Etwas unsicher stand Paula auf den Beinen und hielt sich am Geländer im Treppenhaus fest.
    „Puh, sag mal, hast du am frühen Abend hochprozentigen Alkohol getrunken?“ Akay stand dicht vor ihr und wedelte übertrieben mit der Hand in der Luft.
    „Hmm, ja. Magarete hat mich gezwungen einen zweiten zu trinken, weil man auf einem Bein nicht stehen kann“, entschuldigte Paula ihre Fahne. „Und dann haben wir noch mal auf Friedrich angestoßen und am Schluss auf mich. Meine Grundlage, der Kuchen, hatte sich seit Ewigkeiten verflüchtigt, da hat mich der Schnaps wohl umgehauen.“ Paula grinste dümmlich. Ihr ging es gut, obwohl sie die Geschichte von Friedrich stark aufwühlt hatte.
    „Was hältst du davon, wenn du zu mir rein kommst? Ich habe noch etwas Börek und Pide da. Wir können uns stärken, ehe ich eine Flasche Rotwein aufmache“, schlug Akay vor.
    „Warst du nicht gerade auf dem Sprung? Zur Arbeit oder so?“, säuselte Paula. Das

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