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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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kosten. Solange Krieg herrschte, mussten wir diesen Ort meiden. Wie lange konnte solch ein Krieg dauern? Monate oder Jahre? Keiner von uns wagte Vermutungen anzustellen.
    Die Rückreise auf die Farm verlief sehr bedrückend. Ich für meinen Teil kehrte resigniert und am Boden zerstört zurück. In mir war etwas zerbrochen, denn ich wusste, die Chance die nächste Zeit Kontakt zu Magarete herzustellen, blieb gleich Null. Mein Vater trauerte um seine Heimat, um Freunde und Verwandte, die politischen Kameraden, die er überstürzt verlassen hatte.
    Karl trug sein undurchdringliches Gesicht zur Schau. Aber ich vermutete, er war sehr erschrocken über die Reaktion der Stadtbewohner, die er als freundliche Menschen kennengelernt hatte und mit denen er stets im Guten auseinandergegangen war. Die erbitterte Feindseligkeit, die ihm entgegen schlug, brachte den sonst so ausgeglichenen Karl ins Wanken.
    Im Rückblick der vielen vergangenen Jahre, kann ich den Menschen keinen Vorwurf machen, wie sie damals reagierten. Aber welch ein Irrsinn: wir waren aus Deutschland vor den Nazis geflohen und wurden im Exil als Synonym für deren Verbrechen verantwortlich gemacht. Ich muss heute noch den Kopf darüber schütteln, wenn ich daran denke, was damals in der Welt geschah.
    Auf der Farm überbrachten wir die schlechten Nachrichten den Frauen. Meine Mutter und Irmgard zeigten sich sehr erschüttert. Sie stellten uns viele Fragen, die wir nicht beantworten konnten. Unsere Flucht aus der Stadt hatte jegliche Informationsquellen gekappt.
    Abends wurde am Tisch viel gesprochen und diskutiert. Die Erwachsenen versuchten gemeinsam in die Zukunft zu schauen und überlegten, wie ihr Leben in Argentinien weiterverlaufen sollte.
    Ich zog mich zurück auf die Bank auf der Veranda und weinte bittere Tränen. Tränen der Verzweiflung, des Abschieds von meiner Jugend und des Verlustes meiner großen Liebe. Ich weiß nicht, wie lange ich dort saß. Irgendwann tauchte Rosalie aus dem dunklen Hof auf und setzte sich schweigend zu mir. Sie leistete mir Gesellschaft, ohne etwas zu sagen, bis meine Tränen versiegten. Leise begann sie ein Lied zu summen. Der Klang ihrer Stimme hörte sich tröstlich für mich an.
     
    Danach verliefen die Tage, Wochen und Monate in einer nicht enden wollenden Monotonie ab, auch wenn nichts mehr erschien wie einst. Wir mieden die Stadt. Das Risiko, dort der aufgebrachten Menge zum Opfer zu fallen, erschien uns einfach zu groß. Die Ungewissheit begleitete uns tagein, tagaus, denn wir erhielten kaum Neuigkeiten, was sich in der Welt tat.
    Karl ritt alle paar Wochen zu weit entfernten Nachbarn und erkundigte sich bei ihnen. Diese Nachbarn waren Argentinier, denen Karl bedingungslos vertrauen konnte und die keinen Groll gegen Deutsche hegten.
    Karl blieb jedes Mal ein paar Tage aus. Wenn er zurückkam, zuckte er mit den Schultern auf unsere Fragen. „Es gibt nichts Neues. Der Krieg hält unvermindert an, immer mehr Länder werden hinein gezogen. Ein Ende ist nicht in Sicht.“
    So verrückt sich das anhörte: wir nahmen es kurz zur Kenntnis und wandten uns wieder der Arbeit zu. Der Arbeitsalltag stellte für uns einen gewohnten sicheren Halt dar, der die in unseren Köpfen herumschwirrenden Fragen zurückdrängte und uns einigermaßen gestattete, geordnet weiterzuleben. Ich bin der Überzeugung der Mensch braucht das, egal wie schlimm das Schicksal zuschlägt. Es muss für ihn eine Ordnung geben, in der er sich wiederfindet und in gewisser Weise Zuflucht und Rückhalt erfährt.
    Mein Leben in Deutschland schien mir in weite Ferne gerückt und wurde zu einem Art Tagtraum, nicht real und unwiederbringlich verloren. Den Schmerz über den Verlust meiner großen Liebe verstaute ich tief in meinem Herzen, das langsam aufhörte unter der Last erdrückend wehzutun. Bahnte sich der Schmerz in unbeobachteten Momenten den Weg nach draußen, arbeitete ich noch härter und erbitterter, um ihn zurückzudrängen. Und es gelang im Laufe der folgenden Monate und Jahre zunehmend besser. Hätte ich das nicht geschafft, ich wäre elend vor die Hunde gegangen.
    Und ich hatte eine Verbündete. Ich bemerkte es nicht sofort, aber Rosalie war stets an meiner Seite. Wenn es mir schlecht ging, spürte sie es und brachte mich mit allerlei Unsinn zum Lachen. Sie begeistere mich für ihre kleine Pferdezucht, zu der ihr Vater die Idee gehabt hatte.
    In Deutschland hing ich viel über meinen Büchern, in Argentinien tauschte ich diese gegen die

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