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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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langsam. „Du hast Recht, es wird Zeit ihm eine Lektion zu erteilen.“
    Mehr sagten sie nicht, vielleicht um mich nicht zu beunruhigen, vielleicht hatten sie auch keinen konkreten Plan. In mir tobte ein Zweikampf. Ich wollte die Beiden nicht auf Rachefeldzug wissen, aber Genugtuung gab es mir dennoch, dass sie es vorhatten.
    In dieser Nacht durchlebte ich den vergangenen Tag mit seinem Schrecken erneut. Schweißgebadet wälzte ich mich im Bett umher, aber am Ende eines meiner vielen Träume wurde Gerechtigkeit hergestellt: Ich sah wie Hein Kummerlich reglos an einem Galgen baumelte. Ich glaube, ich lächelte sogar im Schlaf. Es war kein glückliches Lächeln, sondern ein beruhigtes, weil dieser Mensch keinen Schaden mehr anrichten konnte.
    Ich habe viele Träume in meinem Leben gehabt. Bei manchen wurde mir erst später mulmig zu Mute, wenn sich in der Realität ein Quäntchen Wahrheit fand. Diesmal war die Wahrheit schlimmer, als ich je für möglich gehalten hatte!
    Den nächsten Morgen erwachte ich spät, weil meine Eltern mich lange hatten schlafen lassen. Ich blieb eine Weile liegen und starrte an die Decke. Dabei betastete ich vorsichtig meine geschwollene Lippe und nahm mir vor, nicht in den Spiegel zu sehen. Ich konnte mir vorstellen, wie mein Gesicht angeschwollen und blau verfärbt aussah. Der große Bluterguss würde sich im Laufe der Zeit grün und gelb verfärben, ehe die sichtbare Erinnerung an die Geschehnisse verblasste. Die Narben auf meiner Seele brauchten gewiss längere Zeit zu heilen.
    Auf einmal drangen gedämpfte Geräusche an mein Ohr. Aufgeregte Stimmen versuchten leise zu sprechen. Neugierig entstieg ich dem Bett, öffnete die Tür und lauschte, woher die Quelle der Unruhe kam. Das Klappern von Töpfen verriet mir, es kam aus der Küche. Meine Mutter hantierte dort herum, mein Vater war anscheinend auch dabei. Für diese Tageszeit ungewöhnlich, denn normalerweise war er auf dem Feld.
    Neben meinen Eltern hielt sich eine weitere Person dort auf. Eine hohe Frauenstimme sprach aufgewühlt. Ich verstand nicht worum es ging, also schlich ich mich auf leisen Sohlen zu der angelehnten Küchentür. Vorsichtig schielte ich durch den schmalen Schlitz und erkannte unsere Nachbarin Frau Jost.
    „Es ist unfassbar. So etwas ist in unserem Dorf noch nie geschehen. Ein Mord!“ Frau Jost vergaß leise zu sprechen und erhob die Stimme. Meine Mutter legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm.
    Ich stand in meinem Nachthemd auf dem Flur und mir gefror das Blut in den Adern. Sollte etwa …?
    Frau Jost war viel zu erschüttert, um auf die Beschwichtigungsversuche meiner Mutter einzugehen. „Hein Kummerlich in den Pferdeställen des Rittergutes erschlagen!“
    Ich hielt die Luft an und in meinem Gehirn ratterte es. Hein Kummerlich tot? Was hatten Heinz und Friedrich des Abends zuvor gesagt? Hein Kummerlich müsste eine Lektion erteilt bekommen? Hatten sie das damit gemeint?
     
    Magarete schwieg. Sie hing gedankenverloren den Geschehnissen der Vergangenheit nach. Paula hatte fassungslos die letzten Sätze aufgenommen, während die Standuhr im Wohnzimmer ihren gewohnten Rhythmus tickte, als ob nichts geschehen sei.
    „Magarete?“ Paula berührte die alte Frau vorsichtig an der Schulter. Magarete drehte langsam den Kopf zu ihr.
    „Ich muss feststellen, dass es mich sehr mitnimmt, dir diesen Teil der Geschichte zu erzählen, auch wenn es schon lange her ist.“ Sie seufzte. „Dass das Schicksal mein Leben dermaßen auf den Kopf stellen konnte! Auf einmal geriet ich in einen Strudel von Ereignissen, von dem ich fortgerissen wurde …... diese Machtlosigkeit ...“ Magarete verstummte.
    „Aber du hast dich gegen Hein Kummerlich gewehrt! Du warst nicht machtlos.“
    „Das stimmt, aber was dann geschah verdeutlichte mir, wie wenig Einfluss wir auf unser Schicksal haben. Du weißt noch nicht alles.“
    „Dann erzähl es mir bitte.“
    Magarete schüttelte den Kopf „Heute nicht mehr. Ich bin erschöpft.“ Entschuldigend schaute sie Paula an.
    In diesem Moment kam sich Paula sehr egoistisch vor. „Entschuldige bitte, ich wollte dich nicht bedrängen.“
    „Ist schon gut“, wehrte Magarete ab und legte eine kurze Pause ein. „Morgen geht es also zur neuen Arbeit“, wechselte sie das Thema.
    „Ja, morgen geht es los. Ich hoffe, ich kann diese Nacht schlafen. Ich bin sehr aufgeregt.“
    „Das wird schon werden. Wenn du die nächste Woche nach der Arbeit Zeit hast, dann klingele doch bei mir.“ Magarete

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