Lindenallee
Herrschaften Gestüte in der Umgebung, um einen Hengst für die Zucht zu kaufen. Ich atmete erleichtert auf, denn ein paar Tage später wurde Heidemarie gesund und ihre Anwesenheit beruhigte mein flatterndes Nervenkostüm. Sie gab mir die nötige Sicherheit, nicht wie ein verschrecktes Huhn umherzulaufen.
Ich erzählte Friedrich alles was mir passierte und er beruhigte sich nur halbherzig. Er und mein Bruder Heinz planten seit geraumer Zeit, wie sie Hein Kummerlich einen Schuss vor den Bug geben konnten. Die Beiden unterhielten sich zwar augenzwinkernd über ihre teilweise abstrusen Ideen, wie zum Beispiel ihn auf den Mond zu schießen oder den Schweinen zum Fraß vorzuwerfen, aber ich spürte bei den Gesprächen, dass ihnen der Ernst der Lage bewusst war. Wie weit sie zu gehen bereit waren, konnte ich nur erahnen.
Der Frühling ging nahtlos in den Sommer über, den Sommer von 1939. Ich traf mich weiter heimlich mit Friedrich und war glücklich mit ihm. Ich machte mir keine Sorgen über die Zukunft, es würde sich alles finden.
In dieser Jahreszeit fand auf dem Rittergut die jährliche Pferdeauktion statt. Die im Herbst geborenen Fohlen wurden zum Verkauf angeboten und Zuchtstuten wechselten den Besitzer. Für die Verköstigung der Gäste, die von überall herkamen und zum Teil im Gut nächtigten, gab es viel vorzubereiten. Wir standen bald Tag und Nacht in der Küche. Es war eine aufregende Zeit, in der wir nicht viel schliefen. Ich war mehr auf dem Rittergut als zu Hause.
Heidemarie schickte mich jeden Morgen mit einem großen Korb voll duftendem Brot, Wurst und Käse in den Stall, um die Stallknechte zu verpflegen. Sie wusste, ich erledigte den Gang gerne, denn somit war es mir möglich, Heinz zu treffen und mit ihm zu sprechen. Außerdem mochte ich den Geruch im Stall, die Geräusche von scharrenden Pferdehufen und die Pferdeköpfe, die sich neugierig zwischen den Gittern hindurchsteckten, sobald sie Schritte hörten.
An dem Tag lief ich eilig in den Stall, denn ich hatte in der Küche viel zu tun und musste rasch wieder zurück.
„ Heinz?“, rief ich.
Überraschend schlug mir Stille entgegen. Ich verlangsamte meine Schritte. „Hallo? Ist hier jemand?“
Links aus der Box hörte ich Geräusche. „Hallo, wer ist da?“ Ich wurde ärgerlich, da ich vermutete, die Jungen nahmen mich auf den Arm.
Umso größer fuhr mir der Schreck in die Glieder, als Hein Kummerlich aus dem Dunkel hervortrat und mich angrinste. „Schau an, das Fräulein Magarete.“ Er ließ das Halfter achtlos fallen, das er in der Hand gehalten hatte.
Mir stockte das Herz und ein eiserner Ring um meinem Brustkorb schien mir die Luft zum Atmen zu nehmen. Mit meinen Händen umklammerte ich den großen Korb, der wie ein Schutzschild zwischen mir und ihm fungierte. Ich konnte nicht verhindern, dass meine Hände zu zittern begannen.
Hein Kummerlich sprang wie ein Raubtier auf seine Beute zu und fuhr seine großen Pranken aus.
„ Hier ist niemand, der dich retten kann!“ Seine Worte klangen voller Hohn in meinen Ohren, ich war unbeweglich wie eine Salzsäule und vergaß zu schreien! Er griff nach dem Korb und schleuderte ihn weg. Laut krachend flog er gegen eine hölzerne Trennwand. Ein Pferd bäumte sich auf und schlug laut wiehernd gegen die Box. Ich machte einen Schritt nach hinten, kam ins Trudeln und drohte zu stürzen. Hein setzte mir nach und griff nach meinen Armen. Er bekam sie zu fassen und zog mich zu sich heran.
„ Niemand hilft dir, mein Zuckerstückchen.“ Er drückte mir hart seinen Mund auf die Lippen, es tat weh. Dabei drehte er meine Arme auf den Rücken und lachte anschließend laut. „Wehr dich! Ich mag es, wenn sich die Mädchen wehren“, zischte er mir ins Ohr.
Ich drehte den Kopf weg, ich war so angewidert von ihm und gleichzeitig so unfähig, etwas gegen diese Urgewalt von Mann zu tun. Mir schoss durch den Kopf, dass ich das Messer in der Schürze hatte, aber meine Hände auf dem Rücken konnten es nicht erreichen. Ich war verzweifelt, mir stiegen Tränen in die Augen. Ich wusste, wenn ich nichts tun würde, war es um mich geschehen. Fieberhaft suchte ich nach einen Ausweg, aber ich fand keinen. Im meiner Verzweiflung stieg endlich die angestaute Luft aus meinen Lungen empor und entwich mit einem entrüsteten Geräusch. Wie ein Signal wurde mir klar, hier half nur schreien. Ich schrie aus voller Lunge. „HILFE!“
„ Du Miststück“, fuhr er mich an, „sei leise.“ Er versuchte mir den Mund mit
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