Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
Vom Netzwerk:
doch anders regeln, meinst du nicht auch?“
    Paula spürte, wie eine tief verborgene Seite in ihr darauf ansprang. Immer, wenn er etwas wollte, hatte er sie letztendlich damit herumgekriegt. Verstört biss sie sich auf die Lippe. Er kennt mich zu gut, dachte sie. Er kriegt mich damit. Hilfesuchend blickte sie sich im Zimmer um, aber da war niemand, der ihr helfen konnte. Ihr Blick blieb wie so viele Male zuvor am Kaktus in der Fensterbank hängen, den sie von Steffen bekommen hatte.
    Sie stellte sich vor, wie es als Kaktus sein musste. Die Stacheln wehrten die Feinde von außen ab und schützen den inneren, sensiblen Kern vor Angriffen. Diese Vorstellung gab ihr Kraft und sie richtete sich auf. Gedanklich fuhr sie ihre Stacheln aus. „In dem Brief von meinem Anwalt steht alles Wichtige drin. Ich möchte nicht mehr durch deine Anrufe belästigt werden.“ Danach drückte sie Markus weg und schaltete das Handy umgehend aus.
    Sie atmete tief aus und entspannte ihren verkrampften Körper. „Ich glaube, das war ganz gut von mir“, lobte sie sich laut. „Danke für den Kaktus. Das war eine tolle Inspiration.“
     
    Beschwingt stieg sie die Treppenstufen hinab und klingelte bei Magarete.
    „Hallo Magarete“, begrüßte sie die alte Dame und drückte ihr dicke Schmatzer rechts und links auf die Wange.
    „Du bist aber gut gelaunt. Komm herein.“ Magarete steuerte auf das Wohnzimmer zu. „Wie waren die ersten zwei Arbeitstage? Ist es zu deiner Zufriedenheit gelaufen?“
    „Ich bin zufrieden. Nette Kollegen und die Arbeit macht Spaß.“
    „Aber ich vermute, das ist nicht ausschließlich der Grund, warum du so gute Laune hast.“ Sie setzte sich und sah Paula erwartungsvoll an.
    „Nicht nur, da hast du Recht. Du hast mich sozusagen durchschaut.“ Paula grinste. „Am Montag hat mein Anwalt, ach wie sich das anhört, also Frank hat den Brief an Markus geschickt, wegen des Autos. Ich habe vorhin mit Markus gesprochen und ich habe mich wacker geschlagen. Kein Heulanfall, kein Einknicken, ein sachliches, äußerst kurzes Gespräch. Ab heute werde ich dieses Handy nie mehr anmachen.“
    „Gratuliere Paula. Das ist ein Grund anzustoßen.“ Magarete stand auf und entnahm einer Vitrine zwei Schnapsgläser und eine Karaffe mit bernsteinfarbener Flüssigkeit. „Ich hoffe du magst Schlehenschnaps, den mache ich jedes Jahr selbst.“
    Sie goss ein und die Gläser trafen klirrend aufeinander. Paula kostete einen kleinen Schluck. Der süße Schnaps lief ihr mit leichtem Brennen den Hals hinab. „Hmmm, schmeckt gut.“
    „Zu süß oder zu viel Schnaps?“ Magarete durchschaute Paula.
    „Beides“, gab sie lachend zu.
    „Ach ja, ich vergaß, ihr Städter seid nichts Gutes gewöhnt.“ Magarete schmunzelte. „Das Rezept ist von meiner Mutter und da wurde alles etwas kräftiger und süßer gemacht.“ Magarete nippte erneut an ihrem Glas. „Es ist seltsam, mit welchem Geruch und Geschmack wir Erinnerungen verbinden, die sehr lange zurückliegen. Dieser Schlehenschnaps wurde herausgeholt, wenn wir etwas zu feiern hatten oder wenn es eine bestimmte Situation erforderte, mit einem kleinen Schnaps die Dinge wieder ins rechte Licht zu rücken.“ Magarete überlegte einen Moment und wanderte gedanklich zurück in den Sommer von 1939.
     
    Als die Nachricht vom Tod Hein Kummerlichs im Dorf die Runde machte, kam zu früher Stunde der besagte Schlehenschnaps bei uns auf den Tisch. Das geschah sonst nie, aber dies war eine solche Ausnahme.
    Frau Jost, die Nachbarin, die meinen Eltern als erste vom Ableben Hein Kummerlichs berichtet hatte, war von dannen gezogen, um die Nachricht weiterzuverbreiten. Ich hatte meine Lauschposition hinter der Tür aufgeben und saß mit meinen Eltern und Heinz zusammen am Küchentisch.
    Der Schnaps rann mir bitter den Hals hinunter und mein Vater sprach aus, was wir alle dachten.
    „ So unglaublich die Nachricht ist und ich Hein Kummerlich keine Träne nachweine, so mehr haben wir nach gestern zu befürchten, dass ein Verdacht auf uns fallen könnte.“ Betroffen schwieg mein Vater.
    Heinz schaute empört auf. „Was hat das mit uns zu tun? Das war Zufall. Ich meine, dass Hein gestern Magarete im Stall bedrängt hat. Das muss doch nichts mit seinem Tod zu tun haben!“ In seiner Stimme klang Trotz mit.
    „ Das weiß ich doch mein Sohn, aber nach Magaretes Erzählung hast du Hein Kummerlich gestern mit dem Tod gedroht. Zwangsläufig wird die Volkspolizei zuerst hier läuten.“
    Heinz sackte in

Weitere Kostenlose Bücher