Lindenallee
erkennbare Gefühlsregung in die Augen. „Heinz hat sich über Hein Kummerlich aufgeregt, aber aus Angst um Magarete! Im Grunde war er froh und dankbar, dass Hein sie vor dem sicheren Tod gerettet hat.“
Heinz verfolgte mit offen stehendem Mund die schauspielerische Leistung unseres Vaters. In seinem Blick lag Bewunderung und Stolz. Meine Mutter hielt die Augen gesenkt, denn sie betete bereits zu Gott, er möge ihrem Mann die Lügen verzeihen.
Zu guter Letzt setzte mein Vater noch eins oben drauf. „Die Stallknechte sollten sich häufiger die Ohren waschen, anstatt zu behaupten, Heinz hätte Hein bedroht.“ Danach setzte er sich an den Tisch und verbarg seine Hände darunter, denn sie zitterten vor Aufregung.
Erich Klagenfurth sah meinen Vater lange und durchdringend an. Überlegend wiegte er den Kopf hin und her, ehe er mit der flachen Hand auf den Tisch schlug. Wir erschraken bei dem knallenden Geräusch.
„ Na dann ist ja alles klar“, sagte er.
Mir rutschte das Herz in die Hose. Hatte er meinen Vater durchschaut?
Erich blickte wohlwollend in die Runde. „Deine Geschichte deckt sich mit der, die Herr von Wegenstedt erzählt hat“, grunzte er.
Herr von Wegenstedt, der Snob, gab Heinz ein Alibi! Unglaublich.
„ Hein Kummerlich hat Herrn von Wegenstedt die Geschichte genauso wiedergegeben.“ Erich Klagenfurth erhob sich schwerfällig. „Und mal ganz ehrlich, es braucht schon einen sehr starken Mann, um Hein Kummerlich zu erschlagen.“ Er blickte Heinz entschuldigend an.
In diesem Augenblick plumpsten sämtlich Steine von unseren Herzen. Ich glaube unter unserem Küchentisch musste ein kleiner Berg entstanden sein.
Mein Vater begleitete den Besuch hinaus. „Dann sehen wir uns am Sonntag in der Kirche“, verabschiedete er sich. Erich Klagenfurth tippte mit dem Finger an seinen Hut und verschwand mit den beiden Volkspolizisten im Schlepptau.
Mein Vater kam in die Küche zurück. Schweigend ließ er sich auf den Stuhl fallen und goss rundherum einen weiteren Schlehenschnaps ein. Vorsichtig blickte er zu meiner Mutter hinüber, die mittlerweile beim x-ten Gebet angekommen war. Sanft berührte er sie an der Hand und sie schaute auf.
„ Es ist nicht recht, dass du gelogen hast“, begann sie, „aber ich denke zum Schutz unserer Kinder hat es sein müssen. Gott wird uns verzeihen.“
Dankbar drückte mein Vater ihre Hand und gab ihr einen Kuss. Das tat er selten, wenn wir Kinder dabei waren. Heinz und ich sahen uns über den Tisch an. Wir waren sehr erleichtert. Dennoch brannte in uns die Frage, wer Hein Kummerlich ermordet hatte. Wir mussten unbedingt mit Friedrich sprechen, vielleicht wusste er mehr.
Gegen Abend liefen Heinz und ich zur Lindenallee. Unterwegs kamen wir an Nachbarn vorbei, die in Grüppchen beieinander standen und die Köpfe zusammensteckten. Das Gesprächsthema Nummer eins des Tages war natürlich der Mord. Mir war nicht wohl in der Haut, denn als wir an den Nachbarn vorbeigingen, unterbrachen sie ihr Gespräch, sahen uns hinterher und nahmen es erst wieder auf, als wir außer Reichweite waren.
Heinz versuchte mich zu beruhigen. „Du kennst doch Erich Klagenfurth! Er wird heute Abend in die Kneipe gehen. Nach ein paar Bier wird er redselig. Dann quatscht er die Erkenntnisse seiner Ermittlung aus und morgen wird uns keiner mehr schief ansehen.“
„ Vielleicht hast du Recht. Wohl ist mir nicht dabei. Es ist doch wirklich seltsam, dass Hein ausgerechnet in dieser Nacht ermordet wurde, oder?“
Heinz blieb stehen und sah mich herausfordernd an. „Du willst doch nicht etwa behaupten, ich hätte etwas damit zu tun, oder?“
„ Ach was, Heinz, nicht doch.“
Er bedachte mich mit einem prüfenden Blick und ich konnte es ihm noch nicht einmal verübeln. Im Grunde glaubte ich auch nicht daran, aber eine Spur des Zweifels blieb. Ob ich wollte oder nicht.
Nach einem Moment gingen wir weiter. Wir bogen in die Lindenallee ein, aber Friedrich war noch nicht an unserem Treffpunkt. Wir setzten uns unter unsere Linde und hingen unseren Gedanken hinterher. Eine halbe Stunde später tauchte Friedrich am Ende der Allee auf und schlenderte auf uns zu.
Sein Anblick ließ mein Herz hüpfen, wie er lässig mit den Händen in den Hosentaschen daherkam. Die Haare wehten wild um seinen Kopf, er pfiff einen Schlager, den er vor kurzem im Radio gehört hatte.
„ Na endlich“, begrüßte Heinz ihn ungeduldig. „Wo warst du denn so lange?“
Statt einer Antwort trat er auf mich zu und gab
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