Lindenallee
mir vor Heinz Augen einen zarten Kuss auf den Mund. Mir gaben leicht die Knie nach.
„ Hallo, meine schöne Magarete“, hauchte er.
„Mir wird schlecht.“ Heinz täuschte einen Würgereiz vor.
„ Na warte, ich sorge dafür, dass du einen Brechreiz bekommst“, rief Friedrich und stürzte sich mit Gebrüll auf ihn. Sie begannen zu rangeln, wie zwei Ringkämpfer. Das Kräfteverhältnis zwischen ihnen war nahezu ausgeglichen. Heinz war vielleicht etwas stärker, weil er im Gegensatz zu Friedrich viel körperlich arbeitete.
„ He, Jungs“, mischte ich mich mit lauter Stimme ein, „es gibt doch Wichtigeres als Kräftemessen, oder?“
Die Beiden setzten dennoch ihre Rangelei fort, bei der Friedrich ins Stolpern kam. Heinz zwang ihn zu Boden und hielt ihn fest. „Siehst du! Das kommt davon, wenn man nur über seinen Büchern hängt. Das macht die Muskeln weich“, lachte Heinz.
„ Gut, du hast gewonnen, du Bauerntölpel.“ Friedrich ergab sich und blieb im Gras liegen. Ich setzte mich neben ihn und sah in seine grünen Augen.
„ Was weißt du von dem Mord?“, fragte ich ihn. Sein Blick wurde ernst. Er rollte auf die Seite und stützte seinen Kopf auf einer Hand ab.
„ Wahrscheinlich nicht mehr als ihr. Das, was der Dorftratsch hergibt. Wenn man dem glauben sollte, befindet sich in meiner Nähe ein Verdächtiger.“ Friedrich sah belustigt zu Heinz hinüber.
„ Ach Blödsinn, das weißt du genau. Ich habe zwar damit gedroht, aber wie hätte ich das machen sollen?“ Heinz setzte sich zu uns auf den Boden.
„ War mir doch klar.“ Friedrich boxte Heinz freundschaftlich gegen die Schulter.
„ Erich Klagenfurth war heute Morgen bei uns“, sagte ich. Friedrich wirkte überrascht. „Vater hat Heinz gerettet. Er hat genau die Geschichte von sich gegeben, die Hein Kummerlich dem Snob erzählt hat. Also, ich wurde von einem Pferd getreten, Hein hat mich angeschrien, Heinz war froh, dass ich dem Tod von der Schippe gesprungen bin.“
Ungläubiges Staunen breitete sich auf Friedrichs Gesicht aus. „Das ist fantastisch! Dann hat Hein kurz vor seinem Ende etwas Gutes getan, indem er den Snob belogen hat! Er hat Heinz ein Alibi verschafft.“ Friedrich klopfte Heinz auf die Schulter.
„ He, ich finde das nicht lustig“, wehrte Heinz ab. „Ich brauche kein Alibi, ich war es nämlich nicht.“
„ Was uns wieder zu der Frage führt, wer es gewesen sein könnte.“ Friedrich ließ sich ins Gras zurückfallen.
Wir grübelten hin und her, fanden aber keine Antwort auf die Frage. Einzig darin waren wir uns einig, dass wenn überhaupt, es den richtigen Menschen getroffen hatte. Niemand weinte dem ehemaligen Verwalter eine Träne nach.
Einzig die beiden Töchter Marie und Trudel taten mir leid. Die Mutter war bei der Geburt gestorben und jetzt mussten die Mädchen auch noch ohne Vater aufwachsen. Das war hart. Ich kann mich gar nicht mehr genau erinnern, was mit ihnen geschah. Ich glaube entfernte Verwandte nahmen die Zwillingsmädchen bei sich auf.
Nach dem ereignisreichen Tag schlief ich die Nacht unruhig. Dabei war doch alles gut verlaufen und es gab keinen Grund schlechte Träume zu haben. Zu unserem Glück war jeglicher Verdacht von unserer Familie genommen. Aber eine innere Unruhe ließ mich im Bett umherwälzen. Ich sprach wirre Sachen im Schlaf.
Heinz weckte mich auf. „Was ist denn los Magarete?“
Ich setzte mich im Bett auf, ich war schweißgebadet. „Ich weiß es nicht. Irgendetwas passiert.“
„ Vielleicht liegt dir auch nur der vergangene Tag schwer im Magen“, fand Heinz eine einfache Erklärung. „Leg dich wieder hin, morgen ist alles in Ordnung.“
Ich schlief ein, diesmal träumte ich gar nichts. Ich fiel in einen totenähnlichen Schlaf. Als ich am Morgen wach wurde, spürte ich, dass etwas anders war. Ich wusste nur noch nicht was.
Ich ging den Tag über meiner Arbeit auf dem Hof nach. Ich half meiner Mutter Wäsche zu machen und den Gemüsegarten zu jäten. Mein Magengrummeln aus der Nacht war nicht verschwunden. Es begleitete mich den Tag und wartete auf den richtigen Zeitpunkt zuzuschlagen. Und der kam gegen Abend, als Heinz von der Arbeit zurückkam.
Beim Abendessen berichtete er davon, wie die Polizei alle Gutsangestellten verhört hatte. „Bislang haben sie keine heiße Spur.“ Heinz biss von seinem Brot ab. „Aber niemand außer den Herrschaften ist traurig über das Ableben von Hein Kummerlich.“
„ Heinz“, ermahnte ihn unsere Mutter. „Bitte sprich
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