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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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seinem Stuhl zusammen. „Ich habe aber nichts getan, ehrlich.“
    „ Das wissen wir doch Heinz.“ Meine Mutter legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. „Aber wer könnte es gewesen sein?“
    „ Es könnte jeder gewesen sein, außer natürlich die Herrschaften“, warf ich ein. „Ich war es auch nicht“, schob ich nach. Eigentlich unnötig, mir hätte niemand so etwas zugetraut. Mir war mulmig zu Mute, weil ich an das Gespräch am Abend zuvor zurückdachte. Heinz und Friedrich hatten sich entschlossen, Hein Kummerlich eine Lektion zu erteilen. Ich konnte aber bei Gott nicht glauben, dass sie ihn erschlagen haben sollten. Das war weder ihnen, noch sonst jemandem aus dem Dorf zuzutrauen.
    Meine Naivität ließ es mich glauben, später sollte ich eines Besseren belehrt werden!
    Ratlos blieben wir am Tisch sitzen und warteten auf das Unvermeidliche. Unser Dorfpolizist, Erich Klagenfurth, klopfte wenige Minuten später an unsere Tür. Meine Mutter ließ ihn hinein, die ihn begleitenden Volkspolizisten blieben als Verstärkung draußen. Ihr Auftrag war klar: Flüchtende Verbrecher aufzuhalten und dingfest zu machen.
    Erich Klagenfurth nahm an unserem Tisch Platz. Seine gewaltige Körperfülle fand gerade genug Sitzfläche auf dem Stuhl. Für einen recht jungen Menschen schnaubte er wie eine alte Dampflok, die sich einen Berg hinaufkämpfte. Mit einem Taschentuch wischte er sich den Schweiß von der Stirn.
    „ Was für ein Tag“, klagte er. „Ach, gebt mir doch auch einen Schnaps, ich könnte einen vertragen.“
    So war Erich Klagenfurth, erst mal Zeit fürs Wesentliche. Jeder im Dorf kannte ihn, aber niemand wagte es, ihn zu unterschätzen. Hinter seinem gemütlichen und kameradschaftlichen Charakter verbarg sich eine wache Aufmerksamkeit, die sich nicht für dumm verkaufen ließ. Auch nicht von Menschen, die er sein Leben lang kannte.
    Er trank das Glas mit einem Zug aus und wischte sich mit dem Ärmel über den Mund. „Ich vermute, ihr habt die Nachricht gehört. Hein Kummerlich ist tot.“
    Mein Vater nickte. „Schrecklich, dass so etwas bei uns im Dorf passiert ist.“
    Erich Klagenfurth brummte. „Die Menschen sind schlecht, überall, auch in einem kleinen Dorf wie unserem.“ Er blickte sich am Tisch um. Außer meinen Eltern, Heinz und mir, saßen zwei weitere meiner Brüder am Tisch. Georg und Wilhelm waren zugegebener Weise nicht die hellsten und halfen aus diesem Grund meinem Vater ausschließlich auf dem Hof. Niemand war auf die Idee gekommen, den beiden eine Stelle am Rittergut anzubieten. So saßen sie schweigsam da und hielten den Blick fügsam gesenkt.
    „ Also Erich, was führt dich zu uns?“ Mein Vater wusste natürlich worauf der Besuch von Erich abzielte.
    „ Gestern soll es im Rittergut einen Streit gegeben haben. Beteiligt waren deine Tochter Magarete“, dabei blickte er zu mir hinüber, „und dein Sohn Heinz.“ Heinz ließ den Kopf gesenkt und entging dem forschenden Blick.
    „ Ja und?“ Mein Vater ließ sich auf keinerlei Erklärung oder Rechtfertigung ein. Er beabsichtigte Erich das aussprechen zu lassen, was ihm im Kopf umherging.
    „ Nun gut“, Erich verstaute sein Taschentuch in der Hosentasche und lehnte sich zurück. „Von einigen Stallknechten weiß ich, wie Hein Kummerlich deine Magarete belästigt hat. Woraufhin Heinz dem Hein gedroht hat, ihn zu töten.“
    Der letzte Satz blieb Unheil verkündend im Raum hängen. Betroffen scharrte meine Mutter mit den Füßen unter dem Tisch. Heinz hatte so etwas zwar gesagt, aber das sagte man im Eifer des Gefechtes, meinte es letztendlich aber nicht so.
    Heinz setzte zum Widerspruch an, aber mein Vater brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen.
    „ Das ist ja interessant, wie der Dorftratsch funktioniert.“ Polternd stand mein Vater auf. „Was hier behauptet wird, das grenzt an Verleumdung. Unglaublich.“ Er fuhr förmlich aus der Haut und wurde sehr laut. Gebannt beobachtete ich meinen Vater. Er hatte einmal behauptet, Angriff sei die beste Verteidigung. Hier sollte ich erfahren, wie das funktionierte.
    „ Es gab einen Streit im Stall, das stimmt. Der Auslöser war ein Pferd, welches ausschlug und Magarete traf. Hein Kummerlich hat sie daraufhin angeherrscht, wie dumm sie sich benommen hätte.“ Mein Vater machte eine dramatische Pause. Mir und den anderen Familienmitgliedern stockte der Atem. Mein Vater log! Mein Vater, der ehrlichste Mann, den ich kannte!
    Er stützte sich auf der Lehne des Stuhls ab und sah Erich ohne

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