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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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erzählen. Aber solange sie nicht genau wusste, welchen Wahrheitsgehalt die Sache hatte, wollte sie ihr keine Hoffnungen machen, die anschließend bitter zerstört wurden.
    Es klingelte an der Tür. Vorsichtig rollte sie den vergilbten Zettel zusammen und verstaute ihn in einer Schublade der Kommode. Neugierig, wer an einem Sonntagvormittag bei ihr zu Besuch kam, ging sie in den Flur und öffnete. Vor ihr stand Magarete.
    „Guten Morgen Paula! Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt.“
    „Ich bin wach, komm rein.“
    „Aber nur, wenn es dir keine Umstände macht.“
    „Ach, so ein Quatsch, macht es nicht.“ Paula schloss hinter Magarete die Tür. „Bei dem Aprilwetter mache ich heute einen gemütlichen Sofa-Tag. Kann ich dir etwas anbieten?“
    „Nein, danke.“
    Magarete wählte im Wohnzimmer den bequemen Sessel, während Paula das Sofa vorzog.
    „Gestern war das Wetter so schön gewesen, heute ist es total gruselig“, nahm Paula das Gespräch wieder auf. „Ich war gestern mit Steffen unterwegs. Vielleicht hast du ja schon gehört?“ Fragend blickte sie Magarete an.
    „In der Tat. Frau Lindner erwähnte etwas. Sie hat euch mit dem Auto wegfahren sehen. Mehr wusste sie allerdings nicht. Das hat sie aufrichtig bedauert und ich kann mir sicher sein, sie wird mich morgen dazu ausfragen.“ Magarete lächelte verschmitzt.
    Paula wollte Magarete bezüglich des gestrigen Ausflugs nicht anlügen. „Wir sind in den Elm gefahren und haben uns dort ein bisschen umgesehen. In Lucklum haben wir anschließend Kaffee getrunken und riesige Stücken Torte verdrückt.“ Das entsprach der Wahrheit, auch wenn sie den wichtigen Teil, Friedrich Mendelssohn, aussparte.
    „Ihr wart in Lucklum?“ Magarete schien ehrlich überrascht.
    „Ja, es ist ein hübsches Dorf. Ich war neugierig wie es da aussieht, nachdem du so viel darüber erzählt hast. Wann warst du eigentlich das letzte Mal dort?“ Diese Frage brannte Paula bereits länger unter den Nägeln, dennoch versuchte sie diese beiläufig fallen zu lassen.
    „Das letzte Mal? Da muss ich überlegen.“
    Paula hegte den Verdacht, dass es Magarete im Grunde sehr genau wusste. Vielleicht musste sie zunächst die Nachricht verarbeiten, dass Paula sich in Lucklum umgesehen hatte.
    „Es war im Herbst 1986. Meine Mutter war gestorben und mein zweitältester Bruder, der den Hof mit seinem Sohn führte, hat ihn danach verkauft. Sie zogen etliche Dörfer weiter und eröffneten ein Ausflugslokal im Elm. Der Kontakt riss leider ab, ich weiß gar nicht, wie das Lokal jetzt läuft.“ Bedauern mischte sich in ihre Stimme.
    „Das muss schwer gewesen sein, das Haus, in dem du geboren wurdest und in dem du deine Kindheit verbracht hast, aufzugeben.“
    „Es fiel mir nicht leicht, das ist richtig. Aber damals lebte ich schon lange nicht mehr in Lucklum. Mein zu Hause war in Braunschweig.“
    „Nachdem Friedrich und seine Mutter verschwanden, wie ist das Leben für dich weitergegangen?“
    „Das erste Jahr danach war furchtbar. Ich hätte nie gedacht, dass ein Herz so wehtun kann. Meine Eltern machten sich Sorgen um mich. Von einem Tag auf den anderen war ich schweigsam und verschlossen. Ich lachte kaum und nahm stark ab. Sie gingen mit mir zum Arzt, der mich gründlich untersuchte und nichts fand. Wie hätte er auch? Es gibt kein Mittel gegen Liebeskummer. Meine Eltern gewöhnten sich an die Veränderung und schleppten mich nicht mehr zu Ärzten und beließen es dabei.“
    „Das ist so traurig.“ Paula erinnerte sich gut an die niederschmetternden Gefühle in den Wochen nach der Trennung von Markus. Dieses lähmende Gefühl, die quälende Gewissheit, nie wieder mit diesem Menschen zusammen zu sein, den man doch liebte! Das Gefühl, nie wieder glücklich sein zu können. Grauenhaft. Aber hier ging es nicht um sie selbst. Wie hatte Magarete nach vorne sehen und neuen Lebensmut schöpfen können?
    „Was geschah dann? Wie ging es weiter?“ Paula beschäftigte sich sehr häufig mit dem Thema. Es war, als suchte sie eine Strategie, um in ihrem eigenen Leben die Kontrolle wiederzuerlangen und nicht nur von Tag zu Tag zu funktionieren, sondern endlich zu leben.
    Magarete schloss einen Moment die Augen, ehe sie in das Jahr 1939 abtauchte.
     
    Der zweite Weltkrieg brach los. Der Krieg machte mir unglaubliche Angst, obwohl er zunächst weit entfernt schien. Bei uns im Dorf spürten wir zunächst wenig davon. Dennoch war immer ein wachsames Auge auf uns gerichtet, weil wir einen Hof hatten

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