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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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Türen des Bunkers wurden geschlossen, die Luft darin war erfüllt von Angst und Schweiß. Wir zwängten uns auf einer Pritsche in einer Ecke zusammen und hielten einander fest.“ Er unterbrach sich und sah seiner Frau in die Augen. Meine Tante Grete wirkte sehr verstört und brachte, seit sie bei uns war, kaum ein Wort heraus.
    Mein Vater stand kommentarlos auf und holte den Schlehenschnaps aus dem Schrank, stellte Gläser dazu und goss ein. Dankbar nahm mein Onkel das Glas und trank es in einem Zug aus.
    „ Eine so schlimme Bombennacht habe ich noch nie erlebt.“ Er stellte sein Glas ab und fixierte es, als er weitersprach. „Trotz der dicken Mauern war jeder Einschlag zu hören. Eine Bombe ging knapp neben dem Bunker hoch. Der Bunker begann hin und her zu schwanken, wie ein Schiff bei starkem Seegang auf dem Meer. Die Menschen schrien und fürchteten um ihr Leben. Wir klammerten uns fest, um nicht umhergeworfen zu werden.“ Bei der Erinnerung an das Erlebte versagte einen Moment seine Stimme. Niemand von uns wagte zu sprechen. Wir spürten, mein Onkel brauchte einen Augenblick, um seine Fassung wieder zu erlangen.
    „ Ich weiß nicht, wie lange der Angriff dauerte“, fuhr er leise fort, „wir verloren das Gefühl für die Zeit. Es muss in den frühen Morgenstunden gewesen sein, als es ruhiger wurde. Dann setzten die Einschläge aus. Es kam aber keine Entwarnung die Bunker verlassen zu dürfen, so dass wir uns in Geduld üben mussten. Erst am Abend konnten wir unser Gefängnis verlassen, so empfand ich es. Ich hätte es darin nicht viel länger aushalten können. Als wir draußen standen, verschlug es uns die Sprache.“
    Er schwieg und Tränen traten in seine Augen. Meine Mutter schenkte ihm einen weiteren Schnaps ein. Er nahm das Glas in die Hand und verharrte in der Bewegung, ehe er das Glas langsam sinken ließ. „Ich erkannte unsere Stadt nicht wieder. Die Stadt mit den vielen wunderbaren Fachwerkhäusern war einer mörderischen Feuersbrunst zum Opfer gefallen. Die Flammen hatten sich durch die Straßen gefressen, es stank nach Rauch und verkohlten Leichen. Straßenzüge waren nicht mehr zu erkennen, die Flammen loderten an vielen Stellen wütend weiter. Verzweifelte Menschen und die tapfere Feuerwehr kämpften gegen die Brände, mittendrin suchten andere nach ihren Angehörigen. Die Stadt glühte vor Hitze, die Luft flimmerte und es erschien mir, wie die Hölle auf Erden.“
    Er brach in Tränen aus, meine Mutter eilte zu ihm und legte beschützend ihre Arme um ihn. Ich war geschockt, als mein lebenslustiger Onkel vor unseren Augen zusammenbrach. Das Geschehene muss schlimm gewesen sein! Wer es selber nicht erlebt hatte, konnte nur erahnen, wie es ihn belastete.
    Wie ich den Krieg hasste und was er den Menschen antat! Ich fühlte mich hilflos und ohnmächtig. Ich denke, ich war nicht die Einzige, der es so erging.
    Mein Onkel blieb bis Kriegsende auf dem Hof. Er half, wo er konnte, aber in seinen Gedanken blieb er in der Stadt, die im Oktober 1944 untergegangen war. Seine Apotheke gab es nicht mehr, sie war im Feuersturm vernichtet worden. Aber er war auch einer der Ersten, die zu Friedenszeiten nach Braunschweig zurückkehrten und es wiederaufbauten.
     
    Im April 1945 fuhr das Ende des Krieges mit amerikanischen Panzern in Lucklum ein. Wir winkten den Fremden verhalten zu, bis wir verstanden, was es für uns bedeutete: der Krieg war aus!
    Mit dem Ende des Krieges brach auf dem Rittergut durch die Einquartierung einer amerikanischen Einheit eine neue Zeit an. Mit ihnen veränderte sich das Dorfleben und wurde bunter und aufregender.
    Ich arbeitete auch nach Kriegsende weiter auf dem Hof, bis zu dem Tag, als Heidemarie früh morgens bei uns vor der Tür stand.
    „ Das ist aber eine Überraschung, komm doch herein.“
    Heidemarie winkte ab. „Ich habe leider keine Zeit.“ Sie wirkte aufgeregt. Ihr von Narben entstelltes Gesicht glühte begeistert. „Du wirst es nicht glauben, aber ich habe wieder eine Anstellung auf dem Rittergut!“
    „ Das freut mich für dich.“
    Sie nickte glücklich. „Und diesmal bin ich nicht als Küchenhilfe, sondern als Köchin eingestellt. Und das bei den Amis.“ Sie tat kleine Hüpfer auf der Stelle und ihre Fröhlichkeit steckte mich an.
    „ Das Beste habe ich dir aber noch nicht gesagt.“
    „ Was denn?“
    Sie ließ mich absichtlich etwas zappeln und zupfte Fussel von ihrem dunklen Rock.
    „ Heidemarie, spann mich nicht auf die Folter.“
    Sie grinste. „Sie

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