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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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dem du dich für dein Glück entscheiden wirst. Das kann nächste Woche sein, nächstes Jahr oder erst in fünf Jahren. Der Tag wird kommen und dann wünsche ich dir, dass du das Glück beim Schopf packst und nicht mehr loslässt.“
    Paula saß zusammengesunken auf dem Sofa. Sie wollte Magarete so gerne glauben. Das böse Teufelchen in ihr flüsterte gemeine Sätze, die alle mit „Ja, aber“ anfingen.
    „Ich glaube, ich könnte noch einen Schnaps vertragen.“
    „Richtig so, der vertreibt Kummer und Sorgen.“ Magarete schenkte ihr nach. „Aber nicht im Haus ausplaudern, dass wir am frühen Abend Schnaps getrunken haben. Sonst heißt es noch, wir würden wilde Partys feiern.“ Magarete kicherte über ihren eigenen Witz.
    Paula setzte lachend mit ein, es vertrieb ihre Anspannung. Vielleicht lag es auch nur am Schnaps und seinen vielen Umdrehungen, die ihr zu Kopf stiegen.
    „Wie war es damals in Berlin? Wie ist es dir und Heinz ergangen?“ Erleichtert stellte Paula fest, dass ihre Aussprache verständlich blieb.
    Magarete wanderte gedanklich in die Zeit zurück. Vor ihrem inneren Auge, tauchten sofort Bilder auf, die sie damals schwer beeindruckt hatten.
     
    Die Stadt war durch Bomben schwer beschädigt und die Trümmer türmten sich hoch zwischen den Häusergerippen auf. Es war eigenartig, zwischen den stummen Zeugen der schweren Angriffe hindurchzulaufen. Tagsüber hallten die klopfenden Geräusche der unzähligen Trümmerfrauen durch die Straßen, die die Steine vom Mörtel säuberten und aufschichteten. Dieses Geräusch begleitete uns und wurde zum Rhythmus der Stadt.
    Wir fanden uns schwer in diesem Labyrinth von breiten Alleen und Wegen zurecht. Wir kamen von einem überschaubaren Dorf. Im Gegensatz dazu war Berlin überdimensioniert groß und irreführend.
    In den ersten Wochen lebten wir von der Hand in den Mund und schliefen in halb verfallenen Häusern. Wir besaßen zwar eine eiserne Reserve, ein kleines Bündel Geld, das wir aber nur im absoluten Notfall bereit waren zu verwenden.
    Zunächst brauchten wir für Übernachtungen kein Geld auszugeben. Es war niemand da, der die Miete hätte eintreiben können. Und für eine Wohnung ohne Dach hätte ich keinen müden Heller bezahlt.
    Nachts begleitete uns ein unangenehmer Zeitgenosse: Furcht. Seltsame Geräusche waren zu hören und wir konnten uns nicht sicher sein, welches Gesindel sich im Dunkeln herumtrieb. Ohne Heinz hätte ich nach einer Nacht aufgegeben und wäre nach Hause zurückgekehrt.
    Zudem machte ich mir Vorwürfe, Heinz mit in meinen Plan, die große Welt zu erobern, hineingezogen zu haben. In Lucklum hätte er jeden Tag seine Mahlzeiten bekommen und abends in einem bequemen Bett schlafen können. Aber er beschwerte sich nie, im Gegenteil, er ermunterte mich nicht aufzugeben und auf eine Chance zu warten, die unsere Lebenssituation verbessern würde.
    Und er behielt Recht. Wir waren gut drei Wochen in Berlin, als ich einen Anschlag an einer Litfaßsäule las: Köche mit Erfahrung gesucht.
    Nun gut, ich war keine gelernte Köchin, aber durch meine Arbeit am Rittergut hatte ich einiges gelernt und stand einem richtigen Koch nur um weniges nach.
    Ich bewarb mich allerdings nicht als einzige und sah meine Chancen schwinden. Als ich aber erfuhr, dass die Stellen im amerikanischen Sektor besetzt werden sollten, konnte ich mit meiner Erfahrung bei den Amerikanern damals in Lucklum punkten. Außerdem sprach ich ein wenig Englisch und das wurde der ausschlaggebende Punkt, die Arbeitsstelle zu bekommen. Welch ein Glück! Mir wurde eine tonnenschwere Last von der Seele genommen.
    Ich verdiente zwar nicht viel, aber ich durfte die Essensreste mit nach Hause nehmen. Es reichte, um einigermaßen satt zu werden und gut über die Runden zu kommen. Heinz schlug sich derweil mit Gelegenheitsarbeiten durch und trug zu unserem bescheidenen Lebensstandard bei. Wir wohnten weiter in abbruchreifen Häusern, die meist kein Dach hatten. Wir lebten nicht schlecht, wenn es nicht regnete. Im Sommer kam es glücklicherweise seltener vor und abends lagen wir auf den Decken und blickten in den Sternenhimmel. Es war fast wie Daheim, in der Lindenallee, wenn nicht die typischen Stadtgeräusche im Hintergrund uns bewusst werden ließen, dass wir uns weit weg von unserer Heimat befanden.
     
    Der herannahende Herbst bereitete mir zunehmend Sorgen, denn die Nächte wurden deutlich kühler und es war klar, wir brauchten eine winterfeste Unterkunft. Wir hatten ein wenig Geld

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