Lindenallee
mit halber Wahrheit.
Magarete erhob sich aus ihrem Sessel, trat an ihren Wohnzimmerschrank und nahm zwei Gläser und die Flasche Schlehenschnaps heraus.
„Es ist zwar kein Weltuntergang, aber ausreichend kritisch genug, sich einen zu genehmigen, meinst du nicht auch?“ Sie lächelte Paula spitzbübisch zu.
„Ja, ganz deiner Meinung.“
Sie stießen auf ihr Wohl an und ließen sich die süße, hochprozentige Flüssigkeit schmecken.
„Seit gestern gibt es übrigens eine positive Neuigkeit.“ Paula stellte ihr Glas auf dem Tisch ab. „Der Rechtsanwalt von meinem Ex hat sich bei meinem Rechtsanwalt gemeldet.“
„Die Geschichte mit dem Auto“, erinnerte Magarete sich.
„Genau. Frank, also mein Rechtsanwalt, hat gestern Abend angerufen. Markus, also mein Ex, hat sich auf halbe-halbe eingelassen. Zähneknirschend, wie ich vermute. Ich bekomme meinen Anteil des Geldes zurück, er nimmt das Auto.“
„Das ist gut Paula, dann kommt es endlich weg. Du fährst doch sowieso nicht damit.“
„Stimmt. Ich durfte quasi auch nicht mehr, damit keine Schramme reinkommt.“ Paula verzog das Gesicht. Sie hatte schon mehrfach darüber nachgedacht, das Auto im Mittellandkanal zu versenken. Vielleicht hätte sie es gefilmt und das Video auf „YouTube“ eingestellt. Das wäre ein Hit geworden.
„Ich habe mir überlegt, ich werde mir von dem Geld ein neues Fahrrad kaufen. Wenn das Wetter besser wird, kann ich damit zur Arbeit fahren, anstatt mit Bus und Bahn.“
„Sehr gute Idee. Und wie kommt das Auto zurück nach München?“ Magarete dachte bereits weiter.
„Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht“, offenbarte Paula. „Ich bringe es auf keinen Fall selbst nach München. Eine weitere Begegnung mit Markus möchte ich mir ersparen.“
„Was nur allzu verständlich ist.“ Magarete dachte nach. „Ich habe eine Idee. Hör sie dir erst mal an, bevor du dich entscheidest.“
Paula lehnte sich gespannt nach vorne.
„Herr Lindner könnte das Auto überführen. Bevor er Hausmeister wurde, hat er in einem mittelständischen Betrieb als Chauffeur für den Chef gearbeitet. Ich glaube gut zwanzig Jahre ist er für ihn unfallfrei gefahren, bevor die Firma von einer größeren geschluckt wurde. Herr Lindner verlor als einer der Ersten seinen Job. Der neue Chef fuhr lieber selbst.“
„Du meinst den Mann von Frau Lindner? Der Mann von dem Hausdrachen, den, den man nie sieht? Jedenfalls habe ich ihn noch nie gesehen.“
„Genau den. Und Paula, wenn du tagsüber da wärst, hättest du ihn heute sehen können. Sprich mit ihm. Ich halte ihn für sehr zuverlässig.“
„Gut, wenn du meinst, spreche ich ihn an. Ich bin gespannt auf den Mann.“ Zuversichtlich lehnte Paula sich zurück und streckte sich.
„Ach“, Paula klopfte sich mit der Hand aufs Knie, „ich wollte dich noch etwas fragen.“
„Ja?“
„Meine Eltern sind am Sonntag bei mir gewesen und ich habe sie gefragt, wie ich eigentlich an die heiß begehrte Wohnung gekommen bin. Es gab doch zahlreiche Interessenten. Sie konnten es mir nicht beantworten.“ Forschend blickte sie Magarete an.
„Und du meinst, ich habe damit zu tun?“
„Vielleicht, ich weiß nicht. Es gibt Dinge, von denen ich denke, dass sie kein Zufall sind. Und bei dieser Sache bin ich mir fast sicher, dass es so war.“
Magarete lächelte bedacht. „Kann gut sein, dass es ein klein bisschen mein Verdienst war.“
„Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen.“
„Schon gut, die Jugend von heute.“ Verschmitzt lächelnd ließ Magarete sich dennoch Zeit. Paula rutschte ungeduldig hin und her.
„Herr Schrater, unser Vermieter, war nach dem Besichtigungstermin bei mir. Ich kenne ihn schon seit etlichen Jahren. Er hat von seinem Vater die Mietangelegenheiten des Hauses übernommen. Ein reizender Mensch, Vater wie Sohn.“ Magarete beobachtete, wie Paula ein ungeduldiges Gesicht machte. Unbeirrt fuhr sie fort. „Also, ich kenne Schrater Senior und Junior schon recht lange und ich kann behaupten, dass wir uns gut verstehen und dass meine Meinung ein ordentliches Gewicht bei beiden hat. An dem besagten Tag, kam Schrater Junior auf eine Tasse Kaffee bei mir vorbei und wir plauderten eine Weile. Auf dem Tisch hatte er die Unterlagen der Interessenten für die Wohnung gelegt. Die Blätter waren ein wenig verrutscht und ich konnte einige der Namen lesen.“ Magarete goss sich einen Schlehenschnaps nach und nippte bedächtig daran.
„Magarete, musst du mich so auf die
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