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Linkes Ufer: Erzählungen aus Kolyma 2 (German Edition)

Linkes Ufer: Erzählungen aus Kolyma 2 (German Edition)

Titel: Linkes Ufer: Erzählungen aus Kolyma 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warlam Schalamow
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bis zum Auftreten äußerer Krankheitszeichen, bei Aussatz einige Jahre. Die Ängstlichen waren dazu verurteilt, die Angst auf ewig in der Seele zu bewahren, ob Freier oder Häftling – ganz gleich.
    Es herrschte Panik im Krankenhaus. Die Ärzte suchten fieberhaft bei den Kranken und beim Personal nach den weißen, gefühllosen Fleckchen. Die Nadel wurde, zusammen mit Phon-Endoskop und Hämmerchen, zum unentbehrlichen Hilfsmittel des Arztes bei der Erstuntersuchung.
    Der Kranke Fedorenko wurde gebracht und vor den Feldschern und Ärzten ausgezogen. Ein Aufseher mit Pistole stand in einiger Entfernung vom Kranken. Doktor Krasinskij, mit einem riesigen Zeigestock bewaffnet, sprach über die Lepra und wies mit dem Stock mal auf das Löwengesicht des ehemaligen Sanitäters, mal auf seine abfallenden Finger, mal auf die glänzenden weißen Flecken auf seinem Rücken.
    Überprüft wurde buchstäblich die gesamte Population des Krankenhauses, Freie und Häftlinge, und plötzlich zeigte sich ein weißes Fleckchen, ein gefühlloses weißes Fleckchen, auf dem Rücken von Schura Leschtschinskaja, einer Frontschwester – jetzt Diensthabende in der Frauenabteilung. Leschtschinskaja war erst seit kurzem im Krankenhaus, ein paar Monate. Keinerlei Löwenmaske. In ihrem Auftreten war Leschtschinskaja nicht strikter und nicht nachsichtiger, nicht lauter und nicht ungenierter als jede andere gefangene Krankenschwester.
    Leschtschinskaja wurde in eines der Zimmer der Frauenabteilung eingeschlossen und ein Stückchen ihrer Haut nach Magadan, nach Moskau zur Analyse geschickt. Und die Antwort kam: Lepra!
    Desinfektion bei Aussatz ist eine schwierige Angelegenheit. Man soll die Hütte abbrennen, in der der Aussätzige gewohnt hat. So schreiben es die Lehrbücher vor. Aber einen Krankensaal in einem riesigen zweistöckigen Haus, in einem Hausgiganten abzubrennen, niederzubrennen! Dazu konnte sich niemand entschließen. Ebenso wie man bei der Desinfektion teurer Pelzsachen risikiert, daß die Infektion bestehen, dafür der Pelzreichtum bewahrt bleibt – indem man die wertvollen Pelze nur symbolisch einsprüht –, denn in der »Hitzekammer«, bei der hohen Temperatur, gehen nicht nur die Mikroben kaputt, sondern auch die Sachen selbst. Die Leitung hätte sogar bei Pest oder Cholera geschwiegen.
    Jemand übernahm die Verantwortung dafür, auf das Abbrennen zu verzichten. Auch das Zimmer, in dem Fedorenko eingeschlossen war, als er auf den Abtransport in die Leprastation wartete, wurde nicht abgebrannt. Es wurde einfach alles mit Phenol, mit Karbolsäure übergossen und vielfach abgespritzt.
    Und sofort kam eine neue schwerwiegende Unruhe auf. Fedorenko wie Leschtschinskaja belegten jeder einen großen Krankensaal mit mehreren Betten.
    Antwort und Marschbefehl – der Marschbefehl für zwei Personen und die Begleitposten für zwei Personen waren noch immer nicht angekommen, angereist, wie sehr die Leitung in ihren tagtäglichen, vielmehr allnächtlichen Telegrammen nach Magadan auch mahnte.
    Unten, im Keller, wurde ein Raum abgetrennt und zwei kleine Zellen für die aussätzigen Häftlinge eingerichtet. Dorthin wurden Fedorenko und Leschtschinskaja verlegt. Eingesperrt hinter einem schweren Schloß, mit Begleitposten, wurden die Aussätzigen dort gelassen, um auf den Befehl, den Marschbefehl ins Leprosorium und den Begleitposten zu warten.
    Vierundzwanzig Stunden hatten Fedorenko und Leschtschinskaja in ihren Zellen verbracht, und nach vierundzwanzig Stunden fand die Wachablösung die Zellen leer.
    Im Krankenhaus brach Panik aus. In den Zellen war alles, die Fenster und Türen, an seinem Platz.
    Krasinskij kam als erster darauf. Sie waren durch den Fußboden entkommen.
    Der athletische Fedorenko hatte die Deckenbalken auseinandergenommen, war in den Korridor gelangt, hatte den Brotschneideraum und den Operationssaal der chirurgischen Abteilung geplündert und, nachdem er den gesamten Alkohol, alle Tinkturen aus dem Schränkchen, alle »Kodeinchen« eingesammelt hatte, seine Beute in die unterirdische Höhle verschleppt.
    Die Aussätzigen wählten einen Platz, trennten ein Lager ab, warfen Decken und Matratzen darauf, verbarrikadierten sich mit den Balken gegen die Welt, den Begleitposten, das Krankenhaus und das Leprosorium und lebten ein paar Tage, drei Tage wohl, als Mann und Frau zusammen.
    Am dritten Tag fanden menschliche Suchtrupps und die Suchhunde der Wache die Aussätzigen. Auch ich lief in dieser Gruppe, ein wenig [gebeugt], durch

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