Linkes Ufer: Erzählungen aus Kolyma 2 (German Edition)
Geologen.«
»Und wo sind wir?«
»An der Kolyma. Fünfhundert Kilometer von Magadan.«
»Nun, leben Sie wohl. Eine gute Sache – das Badehaus.«
Die Geologen kamen – alle! – von auswärtigen Arbeitseinsätzen, aus dem Ausland. Sie hatten Haftstrafen bekommen – von 15 bis 25. Und über ihr Schicksal verfügte eine besondere Verwaltung, in der es so wenige Soldaten gab und so viele Offiziere und Generäle.
Mit der Kolyma und dem Dalstroj hatten diese Generäle nichts zu tun. Von der Kolyma kam nur die Bergluft durch die vergitterten Fenster, eine große Ration, das Badehaus dreimal im Monat, ein Bett und Wäsche ohne Läuse und ein Dach. Von Spaziergängen und Kino war noch keine Rede. Moskau hatte für die Geologen ihre Polardatscha ausgesucht.
Eine große Arbeit auf ihrem Fachgebiet hatten die Geologen der Leitung vorgeschlagen – eine weitere Version des Ramsinschen Durchlaufkessels.
Einen Funken schöpferischen Feuers kann man mit einem gewöhnlichen Stock schlagen – das weiß man nach der » Umschmiedung « und den zahlreichen Weißmeerkanälen . Der flexible Einsatz von Nahrungsanreizen und -strafen, die Anrechnung von Arbeitstagen und eine Hoffnung – schon wird Sklavenarbeit zu segensreicher Arbeit.
Nach einem Monat kam der kleine General angereist. Die Geologen wünschten ins Kino zu gehen, ins Kino für Häftlinge und Freie. Der kleine General stimmte die Frage mit Moskau ab und erlaubte den Geologen das Kino. Der Balkon – die Loge, in der früher die Leitung gesessen hatte, wurde abgeteilt, mit Gefängnisgittern gesichert. Neben der Leitung saßen nun in den Kinovorführungen die Geologen.
Bücher aus der Lagerbibliothek gab man den Geologen nicht. Nur technische Literatur.
Der Sekretär der Parteiorganisation, der kranke Dalstroj-Veteran Chabibulin, schleppte zum ersten Mal in seinem Aufseherleben eigenhändig die Bündel mit der Wäsche der Geologen in die Wäscherei. Das bedrückte den Aufseher mehr als alles auf der Welt.
Nach einem weiteren Monat kam der kleine General angereist, und die Geologen baten um Vorhänge an den Fenstern.
»Vorhänge«, sagte Chabibulin traurig, »Vorhänge brauchen sie.«
Der kleine General war zufrieden. Die Arbeit der Geologen schritt voran. Einmal in zehn Tagen wurde nachts die Aufnahme aufgeschlossen, und die Geologen wuschen sich im Badehaus.
Krist unterhielt sich wenig mit ihnen. Und was konnten ihm auch Geologen im Untersuchungsverfahren sagen, was Krist nicht aus dem eigenen Lagerleben wußte?
Da wandte sich die Aufmerksamkeit der Geologen dem persischen Friseur zu.
»Du solltest mit ihnen nicht viel reden, Jurka«, sagte Krist irgendwann.
»Jeder
frajer
wird mich noch belehren.« Und der Perser fluchte unflätig.
Ein weiteres Bad hatte stattgefunden; der Perser kam sichtlich betrunken, vielleicht hatte er auch »
tschifir
getankt« oder »ein Kodeinchen«. Aber er benahm sich zu forsch, wollte schnell nach Hause, sprang aus der Wache auf die Straße, ohne auf einen Begleiter zu warten, und durchs offene Fenster hörte Krist den trockenen Knall eines Revolverschusses. Der Perser war vom Aufseher erschossen worden, von dem, den er gerade rasiert hatte. Der zusammengekrümmte Körper lag an der Vortreppe. Der diensthabende Arzt fühlte den Puls und unterschrieb das Protokoll. Es kam ein anderer Friseur, Aschot, ein armenischer Terrorist aus derselben Kampfgruppe armenischer Sozialrevolutionäre, die 1926 drei türkische Minister umgebracht hatte, – mit ihrem Führer Talaat Pascha , dem Urheber des Armenischen Blutbads von 1915, bei dem eine Million Armenier vernichtet wurden ... Die Ermittlungsabteilung prüfte Aschots Lagerakte, und die Geologen hat er nicht mehr rasiert. Man fand einen Ganoven, und man änderte auch das ganze Prinzip – jedes Mal rasierte ein neuer Friseur. Das galt als sicherer – es werden keine Verbindungen hergestellt. Im Butyrka-Gefängnis löst man so die Posten ab, im gleitenden Postensystem.
Die Geologen erfuhren nichts vom Perser und nichts von Aschot. Ihre Arbeit schritt erfolgreich voran, und der angereiste kleine General erlaubte den Geologen einen halbstündigen Spaziergang. Das war ebenfalls eine echte Erniedrigung für den alten Aufseher Chabibulin. In einem Lager voller ergebener, feiger, rechtloser Menschen ist der Aufseher ein großer Chef. Und der hiesige Aufseherdienst in seiner reinen Form gefiel Chabibulin nicht.
Immer trauriger wurden seine Augen, immer röter die Nase – Chabibulin fing
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