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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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in Gedanken.«  
    »Kann ja mal vorkommen.«  
    Sie zieht ihr Buch heraus und schaut nicht her.  
    »Ich … ich habe über den neuen iKoffer nachgedacht.«  
    Sie rollt mit den Augen. Nein, das wollte ich nicht. Das falscheste Thema überhaupt. Wie konnte ich nur? Mein Selbst lässt den Kanaldeckel wieder zufallen und taucht ab.  
    »Nur damit Sie es wissen, das war ein Geschenk. Ich habe keine Ahnung, was man damit machen kann. Interessiert mich auch nicht.«  
    »Mich … mich auch nicht.«  
    »Na wunderbar. Eine Sache, die wir gemeinsam haben.«  
    Sie dreht sich wieder weg.  
    Ich muss was sagen. Schlimmer kann es jetzt sowieso nicht mehr werden.  
    »Ich … ich hab auch einen iKoffer zu Hause.«  
    Doch, es geht wohl noch schlimmer. Ich brauche ein neues Konzept. Sofort. Was würde Anton tun?  
    »Ich … ich habe sogar zwei iKoffer zu Hause.«  
    Aua. Sprechen war doch keine gute Idee. Vielleicht bin ich besser beim gestischen Kommunizieren?  
    »Ganz schön viele iKoffer, dafür, dass Sie sich nicht dafür interessieren.«  
    »Ich … ich … da fällt mir ein, ich … habe sie verschenkt.«  
    Jetzt schaut sie mich richtig an. Kein Augenrollen, kein Ärger, nur ehrliche Sorge. Na also, hab ich doch noch die Kurve gekriegt.  
    »Was ist eigentlich mit Ihnen los? Geht es Ihnen nicht gut?«  
    »Doch … doch.«  
    »Wollen Sie mir etwas Bestimmtes sagen? Irgendwie wirken Sie so …«  
    »Nein, nichts Bestimmtes, es ist mehr so, also im Großen und Ganzen, ich … muss jetzt nur dringend wieder an meine Arbeit.«  
    »Ach so, entschuldigen Sie.«  
    »Das … das macht nichts.«  
    Sie wirft mir ein kurzes Abfertigungshallenmädchenlächeln zu, dreht sich von mir weg und fängt an zu lesen. Ich starre auf meinen Bildschirm. Oh, eine Einladung. Ich kann der Facebook-Gruppe Wir haben schon mal den iKoffer angefasst beitreten. Ich schließe meine Augen, atme tief durch und fange an zu zählen.  
    ***  
    Als ich bei 3875 die Augen vorsichtig wieder aufmache, sehe ich, dass sich der Haufen rund um den iKoffer meiner Traumfrau langsam auflöst. Auch mein Freund ruderfrosch geht langsam zurück zu seinem Platz. Sein Strohhut hat etwas gelitten, aber seine Augen glänzen vor Glück. Ich glaube sogar erkennen zu können, dass ein paar Pickel von seinem Gesicht verschwunden sind. Ich hingegen starre verkrampft auf meinen Bildschirm und beginne eine lange E-Mail an mich selbst. Erstens, um den Eindruck zu erwecken, dass ich arbeite, zweitens, weil es sehr wichtig für mich ist, dass mir endlich mal jemand tausend verschiedene Schimpfwörter hintereinander an den Kopf wirft. Ist doch wahr. Drei Mal habe ich sie inzwischen gesehen, und ich weiß noch nicht einmal ihren Namen, geschweige denn, dass wir uns näher gekommen sind. Ich kann eher froh sein, dass sie vor meinem irren Gestotter nicht panisch davongelaufen ist.  
    Hm, ist »Doofkolben« ein richtiges Schimpfwort? Ich bin erst bei Nummer 158. Vielleicht sollte ich trotzdem mal eine Pause machen. ruderfrosch sitzt längst wieder an seinem Platz und klickt irgendwo herum. Ich schicke ihm eine Nachricht:  
    Wozu ist so ein iKoffer eigentlich gut?  
    Ich sehe zu ihm hinüber. Meine Nachricht schlägt ein. Er liest kurz und fängt sofort an zu tippen. Seine Wangen werden dabei rot. Nachricht von ruderfrosch:  
    online-anbindung an internationale flug-, bahn-, mietwagen- und hotelreservierungssysteme, navigationssystem, freisprechanlage, stimmsteuerung, online-reisemanagement, -gepäckmanagement, -terminmanagement, umweltfreundlicher elektromotorantrieb, guckst du hier …  
    Ich klicke auf den ersten Link der ellenlangen Liste, die er mitgeschickt hat. Ein iKoffer-Werbefilm läuft ab: Ein Mann schläft friedlich in seinem Bett, neben ihm steht ein iKoffer. Der iKoffer weckt ihn mit »Hells Bells« von AC/DC . Der Mann steht senkrecht im Bett und liest auf dem iKoffer-Display alle Daten zur anstehenden Reise. Schnitt. Der Mann ist jetzt angezogen und verlässt das Haus. Der iKoffer rollt hinter ihm her. Der Mann versucht ein Taxi zu kriegen, was ihm aber nicht gelingt. Macht nichts, er setzt sich einfach auf seinen iKoffer, und der rollt sofort in erstaunlich flottem Tempo los. Der Mann lenkt den iKoffer mit seiner Stimme. Wenn er »eieieieiei« singt, geht es nach rechts, wenn er »uauauauaua« singt, nach links. Je höher er singt, umso kleiner wird der Kurvenradius. Das Tempo regelt er mit seinem rechten Fußknöchel, der

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