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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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Kurt findet!  
    Obwohl, nein, das ist mir eigentlich ganz egal. Ich will nur nicht, dass Kurt sie vielleicht auch irgendwie enttäuscht. Ja, genau darum geht es mir … Blödsinn, sie findet nichts an Kurt, sie wollte nur, dass er ihr den Koffer bringt … Aber warum?  
    Autsch! Ich sollte nicht mit dem Fuß aufstampfen. Nicht mit diesem. Ich humple ins Badezimmer und suche aus meiner kramigen Hausapotheke Sportsalbe für meinen Knöchel heraus. Wieder im Sessel angekommen, fange ich an, ihn einzureiben.  
    AUTSCH! Ich sollte nicht an Lena und Kurt denken, während ich diese Stelle anfasse. Das verleitet mich dazu, viel zu fest zuzupacken. Lieber an Franziska … Hmmm, ja, viel besser.  
    Das Ganze ist doch auch wie ein kleines Wunder. Ein nettes Mädchen, das heute Vormittag noch Apfelsinchen hieß und aus fadenscheinigsten Gründen Typen wie Rüdiger Fremdwortrodeo und Oliver Autschvideo angehimmelt hat, ist aus einer üblen Lebenssackgasse rausgekommen. Und ich habe dabei mitgeholfen. Das war zwar nicht mein Plan, aber es passierte einfach. Und überhaupt, da muss ich wohl noch … viel drüber nachdenken.  
    Ich drehe den Deckel auf die Sportsalbentube, werfe sie vor mich auf den Boden und schaue sie verzückt an. Schon lustig, was Franziska und ich alles gemeinsam haben. Beide dieses Ich-vermisse-meine- WG -Problem, beide einen ausgeprägten Supermarkt-Tick und auch noch beide unfähig, irgendeinen Beruf zu finden, der uns glücklich macht. Kein Wunder, dass wir …  
    Telefon!  
    Franziska? Kurt? Oder vielleicht Lena? Jedenfalls – nichts wie ran!  
    Ach, Amelie. Klar, der Anruf war längst überfällig. Hatte ich nur vergessen. Kein Wunder.  
    »Und ich störe auch wirklich nicht?«  
    »Nein, Amelie, wirklich nicht.«  
    »Dann ist es ja gut. Aber du kannst es ruhig sagen, ja?«  
    »Nein, Amelie, echt, alles okay.«  
    »Prima. Aber wenn ich wann anders anrufen soll – kein Problem.«  
    »Amelie, ich bin ganz allein, sitze in meinem Sessel und schaue an die Decke.«  
    »Ah, verstehe, dann können wir also gemütlich plaudern?«  
    »So siehts aus.«  
    »Ich wollte nur mal nachfragen, ob du denn eine Hose gefunden hast.«  
    »Ja, hab ich, Amelie. Alles gut.«  
    »Oh wie schön, dann bin ich ja beruhigt.«  
    Wie ich sie kenne, hat sie vor dem Gespräch schon vorsorglich ihren Terminkalender und den Zugfahrplan Gastrop-Rauxel – Berlin überprüft. So ein ausgeprägtes Helfersyndrom wie ihres nutzt sich nicht mit den Jahren einfach ab. Im Gegenteil.  
    »Bin wirklich sehr zufrieden damit. Würde dir bestimmt gefallen.«  
    »Ach, toll. Und hattest du jemanden, der dir geholfen hat?«  
    »Ja, Tobi und die Klasse 12b aus dem Lycée Victor Hugo, Paris.«  
    »Haha!«  
    »Echt. Es gibt sogar ein Video davon. Ich schick dir den Link.«  
    »Na, ich bin gespannt.«  
    Leider gibt es auch ein Video, auf dem sie sehen kann, wie die wunderbare Hose gleich wieder kaputtgegangen ist, aber das sage ich ihr nicht.  
    »Und, Oliver, also versteh mich nicht falsch, ich will nicht neugierig sein und es ist auch nicht so, dass …«  
    »Du willst wissen, wie es beziehungstechnisch bei mir steht?«  
    »Na ja, ich denke nur manchmal, du weißt schon …«  
    »Ja, ich weiß. Und, ganz ehrlich, ich glaube, da ist heute was in Bewegung geraten.«  
    »Ach, wirklich? Erzähl!«  
    Kann man vor Freude gerötete Wangen hören? Ich bilde mir jedenfalls fest ein, ich hätte sie gerade gehört.  
    »Hm, es gibt noch nicht so viel zu erzählen. Oder, um es mit Facebook zu sagen, Beziehungsstatus: Es ist kompliziert .«  
    »Oh je.«  
    Aber Amelie fragt nicht lange nach. Eine der vielen Eigenschaften, die ich so an ihr mag. Sie will Sachen nur wissen, um zu helfen und nicht weil sie neugierig ist. Es reicht, wenn ich ihr verspreche, dass wir bald wieder telefonieren.  
    Nachdem wir uns verabschiedet haben, bleibe ich noch eine Weile sitzen und schaue auf den Boden. Ja, zum hundertsten Mal, ich weiß, es bringt nichts, wenn ich die Sportsalbe auf dem Boden liegen lasse. Dadurch kommt kein WG -Gefühl auf. Auch nicht, wenn ich noch eine Socke und eine leere Bierflasche dazulege. Und auch nicht, wenn ich mir das Rambo-Poster an die Wand pinne, das früher in unserer WG -Küche hing. All das ist nur witzig, wenn man nicht weiß, wer was davon verbrochen hat.  
    Ich stehe auf und räume die Tube wieder in die Hausapotheke. Auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer nehme ich meine

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