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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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    »Ja.«  
    »Dann viel Spaß beim Abgeben.«  
    »Danke.«  
    Und vor allem viel Spaß beim Angeben . Wenn ich nur dran denke, wie er sich gleich mit seinen Hacker-Heldentaten brüsten wird, wird mir ganz schlecht. Oder, besser gesagt, würde mir ganz schlecht werden, wenn ich nicht völlig drüberstehen würde.  
    »Übrigens, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Kurt.«  
    »Danke.«  
    »Ich habe zu danken. Bis bald.«  
    »Bis bald.«  
    »Ach ja, G7#9.«  
    »Was?«  
    »Nur ein Akkord.«  
    ***  
    Am liebsten hätte ich die Tür zum Coffee & Bytes aufgetreten, aber das ging nicht. In Deutschland müssen sich Kneipentüren immer nach außen öffnen, falls eines Tages mal Panik ausbricht und alle schnell rauswollen. Beim Coffee & Bytes könnte das ganz leicht passieren. Würde reichen, wenn plötzlich das Internet ausfiele.  
    Ich lache dreckig vor mich hin, während ich mir das vorstelle. Gleichzeitig wecke ich meinen Laptop und rufe die Facebook-Seite auf. Also, nur weil ich schon mal hier bin und das Teil eh noch rumsteht, nicht weil es mich wirklich interessiert. Nicht zu fassen eigentlich. Lena passt ein paar Sekunden nicht auf, und ihr iKoffer ist weg. Mein Laptop kann dagegen einen ganzen Nachmittag unbeaufsichtigt hier herumstehen. Nicht mal mein Netzteil haben sie sich ausgeliehen, weil ihre ach so empfindlichen Macs davon ja sofort einen tödlichen Stromschlag kriegen würden. Nein, ich passe hier genauso wenig hin wie ein Leckerbike-Fahrrad in den Berliner Berufsverkehr.  
    Wow! Ich habe 586 Freundschaftsanfragen. 586! Und jede Menge Nachrichten. Alles Kommentare zu meinem Fahrradstunt. Jemand hat sogar eine OKrach-Fanseite eingerichtet. Ha! Und Lena gibt sich mit ruderfrosch ab. Muss sie selbst wissen. Was ist sonst noch los? Bei den Supermarktkonzeptionalisten herrscht große Aufregung. Erstens ist Apfelsinchen aus der Gruppe ausgestiegen, zweitens nennt sie sich nicht mehr Apfelsinchen sondern FranziskaSteinmann . Ihre Freunde vermuten, dass sie in eine schwere Identitätskrise hineingeraten sein muss. Ein Glück, dass es kein Video von unserer Nackt-Kissenschlacht gibt … Moment. Ich lehne mich zurück und schaue an die Decke.  
    Ein Glück, dass es kein Video von unserer Nackt-Kissenschlacht gibt . An diesem Gedanken ist an sich nichts verkehrt. Im Gegenteil. Jeder normale Mensch sollte diesen Gedanken haben, wenn er das erlebt hat, was ich erlebt habe. Aber ich habe genau gemerkt, dass mein Gehirn diesen Gedanken gerade zwei Mal gedacht hat. Nur beim zweiten Mal mit »Schade, dass …« statt mit »Ein Glück, dass …« am Anfang. Schade, dass es kein Video von unserer Nackt-Kissenschlacht gibt. Damit hätte ich heute noch die Tausender-Marke bei den Freundschaftsanfragen geknackt. Ja, genau das habe ich gedacht.  
    Ich klappe den Laptop so fest zu, dass es laut knallt. Alle um mich herum drehen sich erschrocken um, und noch bevor sie das nächste Mal Luft geholt haben, habe ich meine Sachen zusammengepackt und bin nach draußen gestürmt.  
    ***  
    Nachdem ich genügend Sicherheitsabstand zwischen mich und das Coffee & Bytes gebracht habe, meldet sich zum ersten Mal für heute mein Bauch. Bis ich Lena getroffen habe, war ich zu aufgeregt, während der Jagd nach ihrem Koffer zu beschäftigt, bei Ex-Apfelsinchen-Franziska zu verwirrt und auf dem Weg zurück zum Coffee & Bytes zu angespannt. Jetzt ist zwar immer noch nichts in Ordnung, im Gegenteil, ich muss alles Mögliche überlegen und tun und etwa genauso viel bleiben lassen, aber trotzdem hat sich fürs Erste das laute Grummeln meines Magens über den G7#9-Akkord in meinem Herzen gelegt.  
    Ohne groß hinzuschauen stolpere ich durch die nächste offene Tür, die nach Imbisseingang aussieht. Drinnen wird der Tresen leider von einer gemischten Gruppe junger britischer Hostel-Touristen mit Enghosen geblockt, die zehn Minuten lang mit angewiderten Gesichtern über die Speisekarte diskutieren, dabei den schichthabenden Türken vor ihrer Nase keines Blickes würdigen und schließlich ohne etwas zu bestellen und ohne Gruß wieder abziehen. Das Gute daran ist, dass ich so schneller an der Reihe bin. Mein Gegenüber schaut zwar verständlicherweise drein wie die Schnurrbartversion von Arnold Schwarzenegger während des Showdowns von Terminator II, aber ich werde ihn jetzt sofort von seiner Seelenqual befreien. Für einen kurzen Moment überlege ich, ob ich einfach »einmal alles« sagen soll, schaffe es dann aber

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