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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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heißt du eigentlich in Wirklichkeit?«  
    »Franziska.«  
    ***  
    Die Treppen des U-Bahnhofs Rosenthaler Platz sind normalerweise nicht steiler als die in den anderen U-Bahnhöfen. Nur heute haben sie sie anscheinend durch irgendeinen geheimen Mechanismus um 20 Grad nach oben gekippt. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass ich schon nach der Hälfte Lust bekomme, zu verschnaufen.  
    Am iKoffer liegt es jedenfalls nicht, der ist nämlich nicht besonders schwer. Kein Wunder. Leute wie Lena rennen nicht mit riesigen Aktenbergen durch die Gegend. Sie hat da bestimmt nur ein paar wenige Papiere drin. Aber der Inhalt dieser Papiere ist purer Sprengstoff. Er entscheidet über Schicksale von Konzernen mit Angestelltenheeren in Kleinstadtgröße. Nicht auszudenken, wenn das Ding weiter in den Händen der Facebook-Nerds geblieben wäre.  
    Trotzdem, wären meine Gefühle Musik, so würden sie wie dieser eine seltsame Akkord klingen, der gleichzeitig Dur und Moll ist. Wie heißt der gleich wieder? Jedenfalls, so froh ich bin, Lenas Koffer endlich sicher in den Händen zu halten, so sehr macht mir Kummer, dass ich mich um satte … Also, ehrlich gesagt, ich weiß gar nicht genau, um satte wie viel ich mich verspäte, ich traue mich nämlich nicht, auf die Uhr zu schauen. Die halbe Stunde, die ich Lena angekündigt habe, habe ich nämlich, na ja, sozusagen, genau genommen, hm, jedenfalls … nicht eingehalten. Das ist schlimm, aber andererseits konnte ich doch nicht einfach wegrennen, wenn sich das kleine Apfelsinchen auf einmal vor meinen Augen in die wunderbare Franziska verwandelt, eine Frau, die mich einfach so an beiden Händen nahm und in eine andere Galaxis schleuderte. Wenn man es von dem Ende her betrachtet, bin ich sogar richtig schnell wieder zurückgekommen. Wie viel lieber wäre ich noch ein wenig dort geblieben, hätte mich an einen ihrer Spiralnebelarme gekuschelt und wäre einfach weggeschlummert.  
    Es wäre alles so schön, wenn ich mich nicht so schuldig fühlen würde. Nicht nur, dass die arme Lena früher diese fürchterliche Enttäuschung mit mir erlebt hat. Sie hat, wie gesagt, deswegen offensichtlich auch noch einen hochnäsigen Charakterzug entwickelt, der ihr sogar den Schmähnamen »Trulla« eingebracht hat. Und ich hatte heute die Chance, wenigstens ein klein bisschen damit anzufangen, es wiedergutzumachen. Und ich war ganz kurz davor, es zu schaffen. Und ausgerechnet dann passiert so etwas. Schicksal, du bist kein Sportsmann.  
    Aber mal sehen. Vielleicht kann ich es ja noch ein wenig zurechtrücken. Der Koffer ist heil und unversehrt, ich habe immerhin darum gekämpft wie ein Löwe. Ich habe Verletzungen vorzuweisen und, ha, genau, ich kann Lena als Beweis sogar das Video auf Youtube zeigen. Und dass der beachtliche Grad meiner Zerzausung zum größten Teil von Franziska stammt, kann ich dabei mühelos unter den Tisch fallen lassen.  
    Ich nehme die letzten drei Stufen. Jetzt noch über die Straße, dann bin ich da. Hoffentlich, hoffentlich hat sie gewartet … Oh, da steht jemand an der Ampel.  
    »Kurt, altes Haus.«  
    »Hallo Oliver.«  
    »Schau, ich hab den iKoffer.«  
    »Das ist ja schön. Was ist denn mit deiner Hose passiert?«  
    »Lange Geschichte. Ist Lena noch im Coffee & Bytes?«  
    »Nein.«  
    »Mist.«  
    »Lena hat gesagt, ich soll sie anrufen, wenn du ihn tatsächlich gefunden haben solltest.«  
    »Ah, das ist doch gut. Dann rufe ich sie am besten gleich selbst an. Hast du die Nummer?«  
    »Sie hat gesagt, ich soll sie dir nicht geben.«  
    »Oh.«  
    »Ich sag ihr dann mal Bescheid.«  
    Kann doch nicht wahr sein. Sie gibt jemandem ihre Nummer, der ruderfrosch heißt, aber ich darf sie nicht wissen. Kurt kommt sich jetzt bestimmt ganz toll und überlegen vor. Glaubt wohl, das ist jetzt endlich der Start zu einer glänzenden Frauenheld-Karriere. Pah. Wie er da ein paar Schritte weiter an der Wand lehnt und mit ihr rumtelefoniert. Das soll wohl lässig aussehen. Freundchen, der Tag, an dem ich auf dich eifersüchtig bin, wird nie kommen. Und überhaupt, mir geht es darum, etwas wiedergutzumachen. Das mit den amourösen Interessen war ein Missverständnis mit mir selber. Schäker doch mit ihr rum, wie du willst. Das lässt mich völlig kalt. Völlig.  
    »Also, ich hab mit ihr ausgemacht, dass wir uns gleich treffen.«  
    »Und lass mich raten, sie will nicht, dass ich mitkomme?«  
    »Ja.«  
    »Na gut, dann ist ja … alles klar.«

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