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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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doch mit letzter Kraft, eine präzise auf meine Bedürfnisse abgestimmte Order abzufeuern.  
    Was genau ich bestellt habe, habe ich zwar sofort vergessen, aber als gleich darauf ein paar Pappteller mit dampfenden Fleischsachen meinen Stehtisch bevölkern, bin ich überzeugt, dass es das Richtige ist. Und tatsächlich: Als ich wenige Augenblicke später mit vollem Magen, strahlendem Gesicht und einer Flasche Bier für den Weg wieder auf die Straße trete, bin ich ein glücklicherer Mensch.  
    Leider laufe ich nach ein paar Metern ein weiteres Mal in die Enghosenbritengruppe von vorhin.  
    »Do you know where Häckeschör Morkt is?«  
    »Ja, weiß ich.«  
    »Do you know where Häckeschör Morkt is?«  
    »Ganz ehrlich, mitten in Berlin auf Englisch angequascht zu werden, ohne vorher gefragt zu werden, ob ich überhaupt Englisch kann, sind das gute Umgangsformen? Ich sage nein. Da kannst du mich unlocker nennen.«  
    »Unlocker?«  
    »Weißt du, was ihr machen würdet, wenn ich euch mitten in London auf Deutsch ansprechen würde?«  
    »Sorry?«  
    »Lachkrampf oder Hitlergruß, so siehts aus.«  
    »Do you speak English?«  
    »Yes, I do.«  
    »Do you know where Häckeschör Morkt is?«  
    »Right here.«  
    »Sure?«  
    »Absolutely. Enjoy.«  
    Doch, das kann man ruhig mal machen. Ich sehe zu, wie die Enghosen davondackeln, nehme einen tiefen Zug aus meiner Flasche und gehe nach Hause. Es dämmert schon, trotzdem lasse ich das Licht aus, als ich in meine Wohnung trete. Ich befreie mich nur von den Schuhen und lasse mich in den Sessel fallen. Aua. Ja, genau. Fuß und Arm. Immer noch. Blödes Schnöselfahrrad. Und auch immer noch leichte Schmerzen im Schritt vom H&M -Garderobenständer. Ich sollte wieder anfangen, Fußball zu spielen. Wenn man ein bisschen fit und beweglich ist, kann man solche Stürze viel besser abfedern.  
    So viel dazu. Ist aber gar nicht wichtig. Ich denke nur darüber nach, weil ich mich nicht entscheiden kann, an wen ich zuerst denken soll. Franziska oder Lena? Soll ich mich bei Franziska melden? Wie sauer ist Lena auf mich? Braucht Franziska jetzt erst mal Zeit für sich? Gibt es irgendeinen Weg für mich, noch vor nächster Woche Kontakt zu Lena zu kriegen? Kann es sein, dass ich in Apfelsinchen verliebt bin, aber nicht in Franziska, oder ist es genau umgekehrt? Ist Kurt jetzt immer noch mit Lena zusammen und wenn ja, was zur Hölle treiben die beiden gerade? Kann es sein, dass ich so etwas wie einen multiplen Orgasmus mit Franziska hatte, obwohl so was für Männer ja gar nicht vorgesehen ist? Ist es überhaupt gerecht, dass Lena auf mich sauer ist?  
    Ich beiße mich mehr und mehr an der letzten Frage fest. Wirklich, ist das gerecht? Lena hat ihren Koffer wieder. Ohne mich wäre er immer noch in den Händen von xman41 und den anderen Nerds. Und wahrscheinlich hätten sie, sobald sie wieder halbwegs nüchtern gewesen wären, Panik gekriegt, den Koffer in die Spree oder sonst wohin entsorgt, ihre Facebook-Gruppe gelöscht und so getan, als wäre nie etwas gewesen.  
    Der einzige Makel an meiner Heldenaktion ist, dass ich ihr angekündigt habe, in einer halben Stunde da zu sein und das aus … nun, gewissen Gründen nicht geschafft habe. Könnte man natürlich sagen, dass sie das nicht so eng sehen soll, Hauptsache das Ding ist wieder da und so weiter. Aber sie hatte bestimmt einen wichtigen Termin vor der Brust. Und wahrscheinlich hat sie dafür ganz dringend ihre Akten gebraucht. Sie hatte die Wahl: absagen oder sich auf mich verlassen. Und sie hat sich dafür entschieden, sich auf mich zu verlassen. Und dann stand sie ziemlich blöd da, als sie am Ende doch absagen musste, weil der dämliche Oliver einfach nicht, wie er es gesagt hat, in einer halben Stunde kommt, sondern erst eine gefühlte Woche später. »15 Jahre sind vergangen, und er ist noch immer der gleiche Arsch«, so in etwa wird sie gedacht haben.  
    Schade. Es war nur das hintere Drittel der Aktion, in dem ich versagt habe, aber das hat gereicht. Und wenn ich jetzt nicht sofort den Hintern hochkriege und irgendwas exorbitant phänomenal Großartiges für sie tue, das jeden Zweifel daran beseitigt, dass ich mich gebessert habe, dass ich sie mag und dass mir das mit früher leid tut, wird sie für den Rest ihres Lebens eine verletzte Seele bleiben, die ihre Mitmenschen durch ihre vermeintliche Hochnäsigkeit vor den Kopf stößt. Schauderhaft … Und außerdem will ich wissen, was zur Hölle sie an

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