Linksaufsteher: Ein Montagsroman
kenn ich. Irgendwann lernt man es.«
Der Trockner ist nun leider auch durch mit seinem Programm. Ich begleite Lena nach drinnen. Sie lädt ihre Sachen in einen Wäschekorb, anschließend falten wir sie auf dem Küchentisch zusammen und legen sie in den iKoffer. Als wir damit fertig sind, klappt Lena den Deckel zu und stellt das Ding wieder auf seine emsigen Rädchen.
»Ich hätte den Koffer übrigens auch schließen können, indem ich close sage, aber das dauert zu lange. Findet sogar Kurt.«
»Wer hätte das gedacht.«
»Kann ich noch mal kurz ins Bad?«
»Klar.«
Soll ich ihr sagen, dass sie Franziskas Kajalstift nehmen kann? Ich hoffe, sie tut es einfach. Kurze Zeit später kommt sie heraus. Ja, sie hat. Bis auf die immer noch fehlenden Schuhe sieht sie wieder genauso bürotauglich aus wie vorhin.
»So, jetzt muss ich aber.«
»Warte, ich geb dir noch einen Wohnungsschlüssel, falls ich mal nicht da bin, wenn du Waschtermin hast. Ich sage Franziska Bescheid.«
»Wirklich?«
»Klar. Hier, der große ist für unten, der kleine für oben.«
»Oh, vielen Dank … Und, Oliver, es war sehr lieb von euch, dass ihr bei eurem Faust-Projekt an mich gedacht habt. Ganz ehrlich, ich glaube, das ist nichts für mich. Ich schaue es mir aber auf jeden Fall an, versprochen.«
Hätte mir vorher einer verraten, dass sie das sagen würde, wäre ich fürchterlich enttäuscht gewesen. Jetzt bin ich es aber nicht. Kein Stück. Sie drückt mich an sich. Erst als sie mich wieder loslässt, merke ich, wie unerträglich mir der Gedanke ist, sie vier Tage nicht zu sehen. Wenn man Umarmungen nur konservieren könnte. Sie öffnet die Tür.
»Du hast was vergessen, Lena.«
»Echt? Ups, die Schuhe. Oh Mann.«
Sie setzt sich, schlüpft wieder in ihre Pumps und betrachtet dabei Franziskas Schuhsammlung.
»Deine Mitbewohnerin hat ja auch Größe 38.«
»Ich glaube trotzdem, dass ihr nie eure Schuhe verwechseln werdet.«
Sie zwinkert kurz.
»Machs gut, Oliver.«
Freitag
Immer wenn ich das Büro von Elvin und Adrian betrete, bleibt mein Blick als Erstes an Elvins Gummiballsammlung hängen. Über 500 Stück in allen Farben, Größen und Formen liegen in dem strahlendweißen deckenhohen Regal aus irgendeinem futuristischen Plastikzeugs. Manche von ihnen haben nicht die Form einer Kugel, sondern eines Rugby-Eis, eines geschliffenen Edelsteins oder eines Gehirns. Und ob man will oder nicht, man fängt sofort an, darüber nachzudenken, in welche Richtungen sie abprallen würden, wenn man sie auf den Boden schleudert. Bestimmt steht das Gummiballregal genau deswegen an der Wand gleich neben dem Besprechungstisch. Es lenkt die Gesprächspartner so ab, dass man ihnen mühelos jede Mistidee verkaufen kann. Ich selbst stelle mir am liebsten vor, was passieren würde, wenn man das Regal so kippen würde, dass alle Bälle gleichzeitig herausfallen. Dürfte gut und gerne drei Tage dauern, bis wieder Ruhe in dem Raum eingekehrt ist.
Das Gummiballregal ist aber nur der Anfang. Der Boden ist mit Stofftieren und Spielzeugautos übersät, zwischen denen ohne Unterlass ein japanischer Roboterhund herumkurvt, in der einen Ecke hängt ein großer Sandsack, auf dem man Stoffbezüge mit Promigesichtern anbringen kann, neben dem Schreibtisch liegen große Stapel Comics und Pornohefte, und an den Wänden hängen teure Fotoprints von russischen Trinkern, die zufällig in irgendwelchen Yogaposen eingeschlafen sind, um nur mal das Wichtigste zu nennen. Dazu läuft Musik, die immer einen Tick aktueller ist, als die Drrrrrrrrrrrzing-Musik aus dem Coffee & Bytes, aber trotzdem kein bisschen weniger nervtötend. Wüsste ich es nicht besser, würde ich Elvins und Adrians Büro für das Kinderzimmer zweier verwöhnter Teenager halten. Und, völlig verrückt, bis vor kurzem habe ich die beiden noch heimlich um ihr Jungszimmer beneidet. Nicht wegen des Spielzeugs, sondern weil es so schön unaufgeräumt war. Aber die Zeiten sind vorbei, seit Franziska bei mir eingezogen ist.
Nun sitze ich mal wieder mit den beiden am Besprechungstisch und versuche die Gummibälle weder anzuschauen noch an sie zu denken. Ich bin in einer schwierigen Situation, und da ist es nicht gut, wenn man sich ablenken lässt.
»Also, was ich sagen will, es gibt da ein kleines Problem: Lena Ameling, die Frau, die ich für das Gretchen vorgesehen habe, also, die kann nicht.«
»
Die Trulla ist verhindert?
«
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