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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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    »Genau, ich habe mir die Aufführung angeschaut. War wirklich klass… Ähm, warum hast du nicht mitgemacht?«  
    »Am Anfang hab ich ja, aber, ach, irgendwie war die Luft bei mir raus.«  
    »Schade.«  
    »Okay, und ich habe mich dauernd mit Claudia Köhnel in die Haare gekriegt. Das wolltest du doch sicher hören?«  
    »Ich? Nein, warum?«  
    »Tschuldigung.«  
    Lena hat ihre Beine angezogen und mit den Armen umschlungen. Sie schaut geradeaus ins Nichts.  
    »Die Rolle war einfach nicht mit dem Gretchen in Faust zu vergleichen. Es ging nicht mehr. Punkt. Kannst du dir wahrscheinlich nicht richtig vorstellen.«  
    »Doch, schon, also so im Großen und Ganzen.«  
    »War wohl auch besser so. Ich hätte sonst vielleicht tatsächlich versucht, Schauspielerin zu werden.«  
    »Wäre doch toll gewesen, oder nicht?«  
    »Kannst du dich an Michi Stemmer erinnern?«  
    »Glaub schon. Der war damals noch ziemlich klein, aber die Brillmann hat ihm schon ganz beachtliche Rollen gegeben.«  
    »Der hat nach der Schule weitergemacht. Schauspielschule. Arbeitslos. Volkshochschuljob. Wieder arbeitslos. Jetzt Teilzeitkneipenbedienung und hin und wieder miese kleine Werbespots, über die er aber richtig froh ist, weil sie Geld bringen.«  
    »Werbespots. Ha, genau wie ich.«  
    »Aber du kannst ganz gut davon leben, oder?«  
    »Schon. Aber damit leben? Na ja. Es ist alles ziemlich erbärmlich.«  
    »Immerhin kannst du ja jetzt wieder den Mephisto spielen.«  
    »Und du das Gretchen.«  
    Lena schüttelt wieder den Kopf und lacht. Wie jemand, der eben noch im Schwimmbad war und nun auf einmal bäuchlings in einem Mondkrater liegt und mit seinen Schwimmbewegungen Mondstaub aufwirbelt.  
    »Und wer spielt noch mal den Faust? Kurt?«  
    »Ja. Ich dachte, es wäre gut, wenn es jemand wäre, den du schon kennst.«  
    »Kurt ist sehr nett.«  
    »Ja. Und ich glaube, er wird das prima machen. Den muss man nur mal wachkitzeln.«  
    »Ich mag ihn wirklich. Hatte ich eigentlich schon erzählt, dass er den Auftrag gekriegt hat, die ganze IT in unserer Anwaltskanzlei durchzubürsten?«  
    »Glaub nicht.«  
    »Wir gehen jetzt manchmal mittagessen.«  
    Ich ertappe mich dabei, mich zu verfluchen, dass ich Kurt als Faust besetzt habe. Es ist okay, verflixt noch mal. Wenn Lena sich in ihn verliebt, werde ich danebenstehen und wohlwollend Applaus klatschen, schwöre ich mir in Gedanken, ertappe mich dabei, die Finger zu kreuzen, entkreuze sie und merke im nächsten Moment, dass ich versuche, meine Zehen zu kreuzen. Weg mit dem Gedanken.  
    »Also, bist du dabei?«  
    Sie guckt immer noch geradeaus. In diesem Moment piept die Waschmaschine ihr »bin fertig«-Piepen. Lena löst sich aus ihrer Kugelhaltung und steht auf.  
    »Bin gleich wieder da.«  
    »Die Trocknertür klemmt. Einfach fest dran ziehen. Noch einen Kaffee?«  
    »Lieber ein Wasser.«  
    Ich muss Kurt fragen, ob er mir eine In-Lena-reinguck-Maschine bauen kann. Ha, er ist wahrscheinlich inzwischen selbst die beste In-Lena-reinguck-Maschine. Warum haben ausgerechnet die beiden so einen guten Draht zueinander? Das kann doch eigentlich gar nicht sein. Er ist ein Techniknerd und als solcher ein klassischer Frauennichtversteher. Mache ich was falsch?  
    Lena kommt zurück, setzt sich, nimmt wieder Kugelhaltung ein und sagt nichts. Nein, ich frage jetzt nicht noch mal nach, ob sie bei Faust 2.0 mitmacht. Sie soll in Ruhe überlegen. Was habe ich mir eigentlich vorgestellt? Dass sie mir jubelnd um den Hals fällt? Eben … Wobei, hm, ja, doch, stimmt, genau das habe ich mir vorgestellt. Was für ein Blödsinn. Was für eine blöde Situation, in der sie jetzt steckt. Was für eine blöde Stille.  
    »Sag mal, du und dein Exmann, warum habt ihr euch eigentlich getrennt?«  
    Hätte man feinfühliger fragen können, aber die Stille hat mich unter Druck gesetzt. Die Lenakugel neben mir spannt alle Muskeln an und wird so hart wie ein prall aufgepumpter Fußball. Ein Fußball, aus dem sich mir ein steinernes Gesicht entgegenstreckt.  
    »Stell dir einfach den größten Arsch aller Zeiten vor, dann weißt du, warum wir uns getrennt haben.«  
    »So schlimm?«  
    »Ich nenne ihn inzwischen nur noch GAAZ . Ist kürzer und praktischer.«  
    »Hm, aber …?«  
    »Warum ich mit ihm zusammen war? Nun, wenn sich einer lieb um dich kümmert, alles für dich tut und dabei auch noch charmant und lustig ist, kann man sich ja wohl einfach mal verlieben,

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