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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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Ihr habt also nichts miteinander?«  
    »Nein, wirklich nicht.«  
    Mist. Meine roten Ohren verraten mich selbst noch auf zehn Meter Entfernung. Sogar ein Blinder würde zumindest die Wärmestrahlung spüren.  
    »Na ja, also … genau genommen … also, das heißt …«  
    »Offene Beziehung?«  
    »Nein, wir haben keine Beziehung. Wir hatten … nur mal Sex, das … hat sich so ergeben. Da gibts auch so einen Fachbegriff für, fällt mir jetzt nur gerade nicht ein.«  
    »Ist sie wenigstens schön, die Franziska?«  
    »Na ja, schon. Wie gesagt, war öfter im Coffee & Bytes, klein und blond.«  
    »Ah, ich glaube, ich weiß doch. Ja, die sieht toll aus.«  
    »Darum geht es ja gar nicht. Es …«  
    »So ein bisschen wie Claudia Köhnel.«  
    »Nein … Na ja, ein bisschen, aber das hat … Also, ich bin nicht verliebt in sie, und sie nicht in mich. Wir sind eine WG . Und hatten mal Sex. Weiter nichts. So.«  
    »Ist doch okay.«  
    »Jetzt weiß ich wieder wie der Fachbegriff heißt: Kollateral… dings. Also, nicht Kollateralschaden, weil es war ja kein Schaden, dass wir mal miteinander Sex hatten, sondern … Dings. Ähm, wollen wir auf den Balkon gehen?«  
    »Okay.«  
    Mist. Warum hat sie das mit Claudia Köhnel gesagt? Wollte sie mich nur kurz anpieksen oder ist sie eifersüchtig? Komische Stimmung ist das jetzt auf einmal zwischen uns. Wenigstens haben wir noch jede Menge Zeit zum Reden, bis die Wäsche durch ist. Ich verteile die Kaffeetrink-Ausrüstung auf Lenas und meine Arme, und wir trollen uns nach draußen.  
    Nachdem wir uns gesetzt haben, fasse ich mir ein Herz und beginne, ihr die ganze Geschichte der Affäre zwischen Franziska und mir zu erzählen … Na ja, die ganz-ganze Geschichte natürlich nicht. Der Teil mit der iKofferjagd bleibt draußen. Stattdessen erzähle ich ihr, dass ich aus Versehen an Franziskas Tür geklingelt habe, weil ich eine falsche Adresse hatte … Na ja, eigentlich erzähle ich Lena nicht mal die halb-ganze Geschichte. Genau genommen ist es eine Geschichte, die von vorne bis hinten erfunden ist. Aber am Ende stimmt sie im Kern trotzdem, finde ich.  
    »Also, das eine Mal war es Befreiungssex, das zweite Mal Abschiedssex. Wahrscheinlich klappt es deswegen so gut mit dem Zusammenwohnen, weil das alles vorher zwischen uns passiert ist.«  
    »Abschiedssex? Also ich weiß ja nicht.«  
    »War aber so.«  
    »Hm.«  
    Auch wenn sie nur »hm« sagt, bin ich sicher, dass ihre Laune nun besser ist. Diese Themen, das braucht halt immer seine Zeit, um zu sacken.  
    »Eigentlich wollte ich dir ja was ganz anderes erzählen, Lena. Ich habe tolle Neuigkeiten.«  
    »Neuigkeiten?«  
    Ihr Gesicht ist ein einziges Fragezeichen. Bestens.  
    »Wir beide werden noch mal den Faust spielen. Du Gretchen, ich Mephisto. Wie früher.«  
    Sie sieht mich an, als hätte ein Lastauto zu ihr gesprochen.  
    »Häää?«  
    Wunderbar. Sie ist barfuß und sagt »häää?«. So komisch es ist, es daran festzumachen, aber endlich kommen wir uns näher. Ich erzähle ihr die ganze Geschichte von Hamlet 2.0 und wie daraus Faust 2.0 wurde … Na ja, ein bisschen biege ich die Wahrheit wieder zurecht. Dass ich die treibende Kraft hinter der Umwandlung und der Rollenbesetzung war, lasse ich unter den Tisch fallen. Zuerst hört Lena schweigend mit offenem Mund zu, anschließend kichernd und kopfschüttelnd, und schließlich wieder schweigend und sehr nachdenklich.  
    »Na, was sagst du?«  
    »Ich … ich weiß nicht.«  
    »Wie gesagt, Gretchen ohne Zöpfe. So, wie du es damals schon wolltest.«  
    »Ich … ich finde es ja toll, dass du an mich gedacht hast, aber, hm, das kommt alles ziemlich überraschend, weißt du?«  
    »Klar, es sollte ja auch eine Überraschung sein.«  
    »Ich habe seit der Schule überhaupt nichts mehr mit Schauspielerei gemacht.«  
    »Warum denn? Du warst doch früher so begeistert dabei. Und alle fanden, du wärst ein Riesentalent.«  
    Sie winkt grob ab. Nicht schwer zu erkennen, dass sie das in Wirklichkeit nicht tut, weil sie ärgerlich ist, sondern weil sie verstecken will, dass sie traurig ist.  
    »Hast du denn gar nicht mehr weitergemacht, als das mit der paronimischen Dystrophie ausgestanden war?«  
    »Nein.«  
    »Warum denn nicht?«  
    Und warum frage ich immer weiter, wenn ich nicht mehr weiterfragen sollte?  
    »Ich habe es ja versucht. Als nächstes Stück haben sie Die Komödie der Irrungen gemacht …«

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