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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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oder?«  
    »Klar, schon.«  
    Das da in ihrem Auge, das ist eine Träne. Und das da im anderen auch eine.  
    »Konnte ich ja am Anfang nicht wissen, dass er mir mit seiner Eifersucht das Leben zur Hölle machen wird.«  
    Lena sitzt zu weit weg, als dass ich mit meiner Hand an ihre Schulter herankäme. Vielleicht ist das gut, vielleicht aber auch ganz schlecht. Was würde Kurt jetzt machen?  
    »Ich verstehe. Aber jetzt seid ihr ja getrennt.«  
    Lena durchbohrt mich kurz mit einem Blick, dann bricht sie endgültig in Weinen aus. Und jetzt weiß ich auch, was Kurt gemacht hätte: Er hätte geschwiegen. Ohne nachzudenken rücke ich nun doch näher an sie heran und patsche ihr zaghaft auf den Arm. Es ärgert sie, dass sie vor mir die Fassung verloren hat. Klar. Ausgerechnet vor mir, der … Nun ja, das Ganze halt … Jedenfalls versucht sie sich möglichst schnell wieder zusammenzureißen. Das Dumme ist natürlich, dass einen nichts so sehr daran hindert, seine Fassung wiederzubekommen, wie zu versuchen, sich möglichst schnell wieder zusammenzureißen. Das ist ganz ähnlich wie mit dem Nicht-spießig-sein-Wollen. Soll ich ihr das sagen? Nein, ich glaube, ich sollte ihr das nicht sagen. Mein Mund will nicht. Stattdessen verteilt meine Hand weiter ungefragt diese ungelenken Patscher, die, und ich weiß beim besten Willen nicht warum, irgendwie ganz in Ordnung sind.  
    Lena gehört nicht zu den Frauen, die viel Make-up benutzen, aber das wenige, das sie benutzt, fließt nun irgendwo auf ihrem Gesicht herum. Das macht sie aber für mich nicht weniger schön. Im Gegenteil. Stimmt wirklich. Im Gegenteil . Ich habe sie nie so gesehen, weder früher noch heute. Weder früher noch heute wollte sie mir dieses Gesicht zeigen. Ich verstehe nicht warum, und verstehe gleichzeitig doch warum. Es hat mit Erkennen zu tun, und mit Angst. Sie sieht mich an, und jetzt es ist ihr egal, weil sie es sowieso nicht mehr ändern kann.  
    »Ja, wir sind getrennt. Und stell dir vor, jetzt ist alles nur noch schlimmer.«  
    »Wie?«  
    »Du hast keine Ahnung, wie durchgeknallt dieser Typ ist. Er hat nur ein Lebensziel: mich fertigzumachen.«  
    »Aber er kann dir doch nicht wirklich was.«  
    »Ach nein? Schon allein bis ich die Scheidung durch hatte, bin ich fast zusammengeklappt. Ich habe ihm am Ende unser ganzes Geld gelassen, nur damit es endlich vorbei ist. Aber denkste, nichts ist vorbei.«  
    Lena erzählt mir den zweiten Teil der schlimmen Geschichte. Sie muss sich, trotz Scheidung, immer noch fast täglich mit ihrem Exmann herumschlagen, weil sie das gemeinsame Sorgerecht für das Kind haben und er ihre Verabredungen zur Übergabe systematisch immer fünf Mal umlegt, damit sie möglichst oft telefonieren müssen und er viele Gelegenheiten hat, sie mit Schimpfwörtern zu überschütten. Der eine Freund, den Lena seit der Scheidung hatte, hat den Terror nach einem halben Jahr nicht mehr ausgehalten. Und damit nicht genug, Lenas Exmann, alias GAAZ , will sich das alleinige Sorgerecht für das Kind erstreiten und sammelt »Beweise« dafür, dass Lena ihre Elternpflichten vernachlässigt. In zwei Wochen ist die entscheidende Gerichtsverhandlung.  
    Puh. Und ich komme mit dieser Faust-Geschichte und bilde mir ein, dass ich wer weiß was für sie tue. Von einem Moment auf den anderen sehe ich, wie es wirklich ist: Lena ist zwar auf dem Papier immer noch zwei Jahre jünger als ich, aber während der Lebensphase, die ich in einer Zeitschleife namens Männer- WG verdaddelt habe, hat sie mich kilometerweit überholt. Ich bin klein, sie ist groß.  
    »So ist meine Lage im Moment. Und wenn der GAAZ mir meinen Bommi wegnimmt, dann hat er es geschafft. Dann …«  
    Sie wischt sich ein letztes Mal mit der Hand über das Gesicht und holt tief Luft. Wenn ich ihr nur helfen könnte.  
    »Lass uns über was anderes reden.«  
    Ich sehe sie an. Ihre Tränen trocknen zusammen mit ein paar kleinen Spuren von Kajal langsam auf ihrem Gesicht. Ja, ich bin klein, sie ist groß. So sieht es aus. Hat sich dadurch etwas für mich geändert? Ja. Ich liebe sie noch mehr.  
    »Und du bist also recht gut im Geschäft mit deinen Radiospots, Oliver?«  
    »Lass uns über was anderes reden.«  
    »Warum machst du es denn, wenn es so schlimm ist?«  
    »Ich hab nichts, was ich sonst machen könnte. Und es wird richtig gut bezahlt.«  
    »Dann mach doch einfach weniger.«  
    »Würde ich ja, aber ich kann einfach nicht nein sagen.«  
    »Das

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