Linksträger: Roman (German Edition)
Mutter wenigstens vorbei. Wie komme ich jetzt ungesehen aus dem Haus und zur Polizei?
»Mach ich. Grüß du mir Onkel Rolf. Ciao.«
Hoffentlich steht er nicht auf und sieht mich. Dann bringt er mich um. O nein, er bewegt sich, er steht auf …
»Oh, Tante Gerti. Ich hatte Sie gar nicht bemerkt. War mein Vater. Man hilft eben, wo man kann.«
Einfach ruhig sitzen bleiben, und wenn er dich anfasst, schreist du so laut, wie du kannst, Gerti.
»Hallo? Gerti, geht’s Ihnen gut?«
»Ahhhhhhhhhhhhh! Nehmen Sie gefälligst Ihre dreckigen Finger von mir, Sie Perversling.«
44 Ich lach mich tot
E s ist nicht meine Schuld. Ich übe vor dem Badezimmerspiegel einige Unschuldsposen, die ich Jana gleich vorführen werde. Sie ist gerade eben zur Haustür hereingekommen, hat sich den Schnee von den Kleidern geschüttelt und ist in ihrem Zimmer verschwunden. Ich folge ihr über die Treppe nach oben und murmele vor mich hin.
Es ist nicht meine Schuld. Was kann ich denn dafür, dass deine Ost-Cousine so einen Schuss hat. Was kann ich denn dafür, dass sie ständig in identischer Kleidung rumläuft. Was kann ich denn dafür, dass die Thüringen-Connection uns mit ihrem Besuch in Frankfurt so genervt hat? Da könnte man auch gleich Michail Gorbatschow dafür verantwortlich machen, weil er 1989 die Grenzen öffnen ließ. Oder Walter Ulbricht, der die Scheißmauer überhaupt erst gebaut hat, oder Hitler, dass er den Krieg verloren hat und Deutschland geteilt werden musste, oder die Kontinentaldrift, die ein Abbrechen Apoldas von der eurasischen Platte auch in den nächsten Tagen nicht vorsieht.
Ich bleibe dabei: Es ist nicht meine Schuld.
Meinetwegen fahre ich auch wieder jede Nacht zur Tankstelle und werde bis zur Einschulung unseres Kindes kein Auge mehr zumachen. Das haben andere ja auch irgendwie überlebt. Doch ein Problem bleibt: Wie sage ich es Jana? Wie bringe ich ihr bei, dass meine Mission gescheitert ist und ich keine Ahnung habe, ob Brummelbärchen schwul ist oder nicht. Und ehrlich gesagt interessiert es mich auch gar nicht mehr. Okay, er hat schon ordentlich einen an der Waffel, aber irgendwie mag ich ihn, genau wie Maik und Silvio und die anderen gestörten Familienmitglieder, mal abgesehen von Tante Gerti.
Ich schüttele mich kurz, als ich vor ihrem Zimmer stehe. Dann trete ich, ohne zu klopfen, ein, und Jana steht vor mir. Sofort fällt sie mir um den Hals.
»Schatz, ich muss dir was erzählen.«
»Ich dir auch, Jana.« Ich nicke ihr mit dem Augenaufschlag eines zum Tode Verurteilten zu.
Doch sie winkt energisch ab. »Lass mich erst, Schatz.«
»Es ist aber wichtig, was ich dir zu sagen habe.«
»Meins auch.« Sie zieht mich auf das Bett, wo wir uns nebeneinandersetzen, und schaut mich mit einem komischen Blick an. »Also, wenn ich dir das jetzt erzähle … also, ha, das ist eigentlich echt lustig. Du wirst dich bestimmt totlachen.«
»Ja, nun sag schon.«
»Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Also, ich habe heute Morgen mit meiner Mutter telefoniert. Und da haben wir natürlich auch über die Hochzeit von Nora und Falco gesprochen. Dass ich das so furchtbar finde, weil sie mir schon immer alles nachgemacht hat. Das Fahrrad, die Kleider, die Freunde …«
»Jana, komm bitte zum Punkt.«
»Jedenfalls habe ich ihr dann von unserem Plan erzählt. Dass wir die Hochzeit platzen lassen wollen, da Falco ja schwul ist. Das hat sie mir ja schließlich selbst erzählt.«
»Ja …«, antworte ich. Eine unangenehme Vorahnung beschleicht mich.
»Ja, und darauf hat mir meine Mutter erzählt, dass sie erst vor ein paar Tagen wieder mit Falcos Mutter telefoniert hat. Die kennen sich ja auch von früher. Und da ging es auch um schwul und lesbisch und so weiter …«
»Sag mal, was ist denn los mit dir, Jana? Was druckst du denn so rum?«
»Hmm, ich glaube, ich hatte da vielleicht eine winzig kleine Kleinigkeit durcheinandergebracht.«
»Durcheinandergebracht?«
»Ja.«
»Was hast du durcheinandergebracht?«
»Also, wenn ich meine Mutter diesmal richtig verstanden habe, habe ich da irgendwie was verwechselt. Du kennst mich ja, manchmal höre ich nicht richtig zu, und dann werfe ich Dinge durcheinander und …«
»Jana!« Ich rüttele sie an den Schultern.
Jana schaut mir in die Augen und verzieht den Mund. »Also zunächst mal stimmt es natürlich, dass Peggy einen Sohn hat, der schwul ist. Aber das ist nicht Falco, sondern sein Bruder Silvio.«
Eine interessante Information, die ich gerne einige
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