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Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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Stunden früher gehabt hätte.
    »Silvio. Was du nicht sagst.«
    »Ja, ist doch ’ne witzige Geschichte, oder?«
    Vor meinem inneren Auge fliegen Szenen aus der Kirche vorbei, gefolgt von stark behaarten Männern, die Prosecco aus Hundenäpfen schlabbern, und auch die Kurve zwölf des Oberhofer Eiskanals bringt sich in Erinnerung. Mal ganz davon abgesehen, dass ich mich unter Drogen gesetzt habe, mich vor einer Rentnerin retten musste, ich in die nicht mehr existente SED eingetreten bin und die oberste Hautschicht meiner Eichel noch immer an den Röhren in einem Oberhofer Solarium klebt. Zu allem Überfluss spüre ich Silvios erigierten Penisabdruck seit der Fahrt im Eiskanal wie einen Phantomschmerz zwischen meinen Pobacken. Ja, man könnte sagen, ich bin etwas irritiert und aufgebracht.
    Im ersten Moment flexe ich mir ein künstliches Grinsen ins Gesicht. Dann erlischt das Grinsen.
    »Willst du mich verarschen?«, sage ich bedrohlich leise. »Das ist nicht dein Ernst, oder? Du meinst, ich habe mich in der ganzen Zeit zum Vollkasper gemacht, weil du irgendwas falsch verstanden hast?«
    »Tut mir leid, Robert.«
    »›Tut mir leid, Robert‹«, äffe ich Jana nach. »Ich bin durch die Hölle gegangen …« Ich ertaste meinen Phantomschmerz. »… und auch durch die Hölle gefahren.«
    »Gefahren?«, fragt Jana verwundert.
    Doch ich möchte ihr von diesem Erlebnis nicht berichten. »Ach, egal. Jedenfalls weiß ich, dass Falco nicht schwul ist, sondern Silvio.«
    »Du weißt das? Woher denn?«
    »Sagen wir mal, ich habe die Sache … aus erster Hand erfahren.«
    »Ach Robert.« Jana legt mir liebevoll die Arme um den Nacken. Dann nimmt sie meine Hände und legt sie sich auf den runden Bauch. Sie bringt unser Kind ins Spiel. Dieses clevere Biest. »Es tut mir leid. Die Idee war saublöd. Wir machen einfach unser Ding, okay?«
    »Mh«, brumme ich und versuche, sauer zu bleiben.
    »Ich erlöse dich auch von den nächtlichen Fahrten. Meinetwegen rufe ich mir demnächst ein Taxi.«
    »Und was ist mit Nora, deinem Körperdouble? Regt dich das nun auf einmal nicht mehr auf?«
    »Doch, tut es. Aber sie wird niemals das kopieren können, was zwischen uns ist. Ich liebe dich, und wir bekommen ein Baby. Eine eigene kleine Familie.«
    »Stimmt.«
    »Sie hat zwar nicht mehr alle Tassen im Schrank, aber ich habe damit meinen Frieden gemacht. Also, lass uns einfach die Hochzeit der beiden in Ruhe genießen, und dann fahren wir am nächsten Tag wieder nach Hause und leben weiter unser Leben. Einverstanden?«
    Was will man einer Frau vorhalten, die das eigene Kind unter der Brust trägt? Nichts! Also gebe ich mich geschlagen. Außerdem habe ich das erreicht, was ich wollte. Keine nächtlichen Fahrten mehr.
    »Einverstanden.«

45 Eine Rede
    N ora mag es romantisch. Die standesamtliche Zeremonie findet im restaurierten Trausaal des historischen Schlosses in Apolda statt, zu dem man zu allem Überfluss nur noch zu Fuß kommt. In Apolda liegt nämlich mittlerweile eine geschlossene Schneedecke, die alle Zufahrtswege unpassierbar gemacht hat. Meine hochschwangere Freundin und ich schleppen uns durch die weiße Pracht hinauf zum Schloss, vor dem ein prachtvoll geschmückter Pferdeschlitten steht, vor den zwei Tiere gespannt sind. Ich tippe wieder einmal auf Stuten.
    »Ein Pferdeschlitten?«
    Jana japst neben mir durch den Schnee. »Gönnen wir den beiden ihren Spaß, Robert. Ich brauch den Schnickschnack jedenfalls nicht.«
    Weiter geht es die Stufen hinauf in den ersten Stock.
    Meine Freundin hält mich am Arm fest. »Nicht so schnell, Robert, mir kneift’s so im Unterleib, das ist die Hölle. Und außerdem muss ich aufs Klo.«
    »Wir sind spät dran. Los, das schaffst du, wir sind ja auch gleich da.«
    Ich ziehe Jana die letzten Stufen hinauf in den Trausaal, der bereits rappelvoll ist. Das Brautpaar ist noch nicht anwesend. Wohl aber die festlich gekleidete Verwandtschaft. Die Eltern sitzen in der ersten Reihe, genau wie Opa Karlo, der zu seinem Helm heute einen farblich darauf abgestimmten Anzug trägt. Allerdings ist er mehr damit beschäftigt, sein Hörgerät einzustellen und sich über den schön gebohnerten Parkettboden zu freuen.
    »Das is aber än doller Bageddböden, Peggy, hast du den gesähn?«
    »Ja, hab isch, Vadi.«
    Hinter Opa Karlo haben die Schwänze ihre Plätze eingenommen. Vorn erkenne ich die beiden Trauzeugen, eine der dickbrüstigen Cousinen Noras und Silvio. Instinktiv meldet sich der Phantomschmerz. Jana und ich

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