Linksträger: Roman (German Edition)
abgeschnitten habe.«
»Was?«
»Kleiner Scherz unter Ärzten.«
Während der Doktor sichtlich beruhigt lächelt, dass beide Kinder wohlauf sind, schubst mich Frau Kuhlig-Semmrau und deutet zur Nabelschnur, die sich, von einer blauen Klemme unterbrochen, von dem kleinen Erdling zu meiner Freundin schlängelt.
»Wollen Sie es selbst machen?«
Ich nicke und setze die Schere an.
»Gut so?«
»Ja, das ist sogar sehr guuut.«
»Na dann.«
Schnipp.
Epilog
V or dem Kreißsaal ist mächtig Betrieb. Die komplette Hochzeitsgesellschaft steht im Krankenhausflur und hat auf uns gewartet. Kein Einziger ist gegangen oder hat sich beschwert, dass ich als Hochzeits-Grinch alles durcheinandergewirbelt habe. Irgendwie mag ich diese gestörten Schwänze und Gurken. Wenn es hart auf hart geht, sind sie füreinander da. Opa Karlo hat mittlerweile lautstark dafür gesorgt, dass seine beiden Enkelinnen eine Chefarztnachbehandlung bekommen, und selbst Tante Gerti hat die beiden Polizisten nach Hause geschickt, nachdem meine Mutter per Telefon erklärt hatte, dass sie weder für meinen Vater noch für mich anschaffen geht.
Es ist Silvio, der als Erster auf mich zukommt und mir einen Klaps auf die Schulter gibt. »Na, alles okay?«
»Ja. Alles gut. Jana und Nora sind zwar ziemlich fertig, aber ansonsten wohlauf. Die beiden schlafen jetzt erst mal.«
»Na, Gott sei Dank. Das war schon alles etwas verrückt, nicht wahr?«
»Das kann man wohl sagen. Aber jetzt ist alles okay.«
»Und zwischen uns? Ist da auch alles okay? Du weißt schon … wegen der Bobfahrt und meiner Aussage, dass du schwul bist.«
»Ach, ich war ja selbst dran schuld. Vergiss es. Wir tragen uns nichts nach, Silvio.«
»Das freut mich.« Er nimmt mich in die Arme, und wir drücken uns. Dann geht er zurück zu den anderen. Er ist ein prima Kerl. Als er schon zwei Meter entfernt ist, dreht er sich noch mal um. »Ach, und, Robert …«
»Ja?«
»Dein Arsch war mir eh zu spitz.«
»Was?«
Silvio lacht und winkt ab. »War nur ein Witz.«
Er geht weiter und stößt dabei gegen Herr Krummbichel, den Standesbeamten, der uns ebenfalls ins Krankenhaus gefolgt ist und alles mit angehört hat. Er lächelt Silvio vielsagend zu.
»Mein Hintern ist nicht so spitz, Herr Gurke. Nur falls Sie Interesse hätten …«
Silvio mustert ihn und nickt. »Na ja, auf einen Kaffee kann man sich ja mal treffen.«
Eine Krankenschwester winkt mich in den Raum mit den Neugeborenen, wo auch schon Falco mit seiner Tochter im Arm steht. Ich gehe direkt auf ihn zu. Hier ist nun meinerseits eine Entschuldigung fällig.
»He, Falco, ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich habe dich in saublöde Situationen gebracht und dir Dinge unterstellt, die falsch waren. Tut mir echt leid. Ich habe total den Überblick verloren … Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?«
Er nickt zwar, doch er achtet nur auf das kleine Wesen in seinem Arm. »Ist doch völlig unwichtig! Wir beide sind gerade Vater geworden, Robert. Das ist doch der Wahnsinn, oder?«
Ich schaue die Kleine der beiden an, wie sie ihm auf die Schulter sabbert.
»Ja, allerdings.«
»Außerdem müssen Nora und ich uns auch bei euch entschuldigen. Als ich Jana das erste Mal in Frankfurt sah, wusste ich, dass Nora ein echtes Problem hat. Diese Klamotten-Kopiererei hat jetzt ein Ende.«
»Das wäre gut«, erwidere ich. »Und wenn du schon dabei bist: Versuch, Nora auch gleich diese blöden Floskeln auszutreiben! Die bekommt sie eh nie auf die Reihe.«
»Versprochen.«
»Sag ihr, dass es manchmal besser ist, einfach die Schnauze zu halten, oder wie sie sagen würde: Reden ist Schweigen, Silber ist Gold.«
Wir müssen beide lachen. Die Schwester schaut zu uns herüber. Dann schmunzelt sie, kommt näher und drückt mir meinen verschlafenen Sohn gebadet und in einen Strampler gekleidet in den Arm. Mir stockt der Atem, und ich bekomme für einen Moment kein Wort mehr raus.
»Gratuliere, Herr Süßemilch. Der junge Herr ist zwar etwas früh dran, aber er ist kerngesund. Ist halt ein echter Apoldaer.«
»Himmel, ja«, ist das Erste, was ich sagen kann, als mir klar wird, dass im Pass meines Sohns als Geburtsort nun für immer stehen wird: Apolda.
»Tja, Robert, jetzt hast du selbst so ein Thüringer Würstchen, was?«, sagt Falco.
»Immer noch besser als Offenbacher«, erwidere ich.
»Wie soll der Kleine denn heißen?«
»Gute Frage. Wir wollten uns überraschen lassen, was es wird, und uns dann spontan entscheiden. Und eure
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