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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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selbst getan. Prima hingekriegt, Linna.
    Soll ich sie trotzdem nach der Botschaft fragen? Oder ist das zwecklos? Der Schnee in ihren Händen ist geschmolzen, doch er konnte den Juckreiz nicht vertreiben. Sie fängt verstohlen damit an, ihre Finger über die Bettkante zu reiben.
    »Vergiss es einfach, Maggie. Ist okay. Nun hör schon auf …« Ich will nicht, dass sie sich meinetwegen weiter die Hände blutig kratzt.
    »Linna …« Sie geht zum Fenster, um ihre Finger gegen die vereisten Scheiben zu pressen. »Ich weiß, das mit dem Flaschendrehen und dem Spiel war scheiße, und ich verstehe es, wenn du deshalb sauer bist, aber wir müssen proben. Bitte, bitte, wir müssen proben. Wenn Simon wieder gesund ist, ja? Bitte …«
    »Proben? Hab ich dich richtig verstanden?« Maggie redet vom Proben – nach all dem, was geschehen ist? Leidet sie unter Realitätsverlust? Ihre Lippen zittern, aber sie sieht mich fest an.
    »Ja, hast du. Deshalb sind wir doch hier. Ich möchte, dass wir Musik machen. Es muss sein.«
    »Was willst du eigentlich, Maggie? Was?« Es wird wieder einmal ergebnislos sein, sie so direkt zu fragen, doch ich muss es tun. Nichts von dem, was sie sagt und tut, ergibt noch Sinn.
    »Musik machen«, antwortet sie stur. »Dazu sind wir hier.«
    »Ja. Klar.« Es soll ein ironisches Ja sein, aber ich bin zu frustriert, um ihm den nötigen Biss zu geben. Vielleicht nimmt Maggie es sogar als echtes Ja auf. Da sie sich mit dem Rücken zu mir ans Fenster stellt, die Hände erneut gegen die kalte Scheibe gedrückt, und kein Wort mehr sagt, bleibt mir nichts anderes, als den Rückzug anzutreten.
    Es ist vollkommen absurd, jetzt noch an die Band und unseren Auftritt zu denken. Wir haben uns so weit von unserem Ziel entfernt, dass es mir lächerlich erscheint, es überhaupt noch anzupeilen. Selbst wenn kein Psychokrieg gegen mich stattfinden würde, wer weiß schon, was morgen ist? Wenn nicht Tauwetter hereinbricht und es endlich ein paar Grad wärmer wird, sodass wir nicht ununterbrochen heizen müssen, um nicht zu erfrieren, haben wir morgen Abend kein Brennholz mehr.
    Ich hole eine Flasche Sprudel und eine Packung trockene Kekse – die letzte, registriere ich mit einem unguten Gefühl im Nacken – aus der Speisekammer und gehe hinüber zu Falk. Vor seiner Tür bleibe ich stehen, um ein letztes Mal darüber nachzudenken, ob es richtig ist, mich ihm zu öffnen. Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder wollen die anderen sich gemeinsam an mir für das Band-Aus rächen und dann gehört Falk dazu. Oder aber es ist allein Maggie, die versucht, mich zu isolieren und mir den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Zwei starke Motive hat sie, ihre ewige Eifersucht und ihre unverheilten Wunden, die ich ihr mit dem Ausstieg aus der Band zugefügt habe. Doch wie kann sie dann allen Ernstes noch daran denken zu proben? Und widersprechen sich ihre Motive nicht? Wenn sie mich so sehr als Konkurrenz fürchtet, warum schreibt sie mir einen Brief und bittet mich, mit ihr und Jules zu proben? Sie hätte froh sein sollen, nichts mehr mit mir zu tun zu haben, und darauf bauen, dass ich Jules nie wieder begegne. Also ist es doch ein Komplott und Falk steckt mit drin? Dann muss ich jetzt wachsam bleiben und mir genau überlegen, was ich sage und was nicht. Aber mit ihm zu reden, könnte auch der Schlüssel zu den Gedanken der anderen sein. Aus Maggie war nichts herauszukriegen, doch vielleicht sitzt Falks Zunge lockerer.
    Ich räuspere mich kurz frei, wie früher vor einem Konzert, klopfe und trete ein. Luna tut, als habe sie mich seit Wochen nicht gesehen, nicht nur ihr Schwanz wedelt, ihr gesamter Körper biegt sich wellenförmig hin und her, als sie versucht, an mir hochzuspringen, während ich die Kekse und die Flasche über meinen Kopf hebe und versuche, ihrer Zunge auszuweichen.
    »Luna. Down.« Sie legt sich nieder, immer noch in Bewegung, aber wenigstens eine Etage tiefer als vorher. Falk sitzt mit der Gitarre im Arm auf dem Bett, doch ich bin nicht mehr willens, wie eine Angeklagte im Gericht vor dem Kleiderschrank zu stehen, wenn ich bei ihm bin, nicht angesichts dessen, was ich jetzt erzählen werde; die Geschichte ist Anklage genug. Ich öffne die bemalten Türen und werfe einen Blick ins Innere. Der Schrank ist leer, hat keine Trennwand und ist breit genug, dass ich mich hineinsetzen kann. Doch bevor ich das tue, hole ich mir noch ein paar Kissen vom Ofen und der Eckbank und polstere ihn damit aus. Ja, das ist

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