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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Audi von Jules, in dem auch Maggie, Simon und Tobi Platz genommen haben, am Ende der Straße hält. Sie haben gemerkt, dass ich nicht zu ihnen aufschließe. Maggie steigt aus und gestikuliert fragend in der diesigen Luft herum.
    Links neben mir klopft Falk behutsam an das Seitenfenster.
    »Probleme?«
    Ich bedeute ihm, dass er Platz machen soll, und steige aus.
    »Springt nicht an.« Zornig trete ich gegen den Vorderreifen.
    Ohne mich zu fragen, schiebt Falk sich in den Wagen und drückt den Knopf zum Öffnen der Motorhaube. Dann steigt er wieder aus, hebt in aller Ruhe den Deckel an und arretiert ihn, um darunter zu verschwinden und den ein oder anderen Schlauch anzuheben und zu überprüfen.
    »Dafür haben wir keine Zeit!«, schreit Maggie zu uns rüber. »Wir müssen da sein, bevor es dunkel wird! Fahr doch bei Falk mit!«
    »Ist wahrscheinlich der Anlasser. Und die feuchte Kälte. Das kriege ich auf die Schnelle nicht hin«, stellt Falk fachmännisch fest, ohne sich um die rufende Maggie zu kümmern oder mir einen längeren Blick zu gönnen.
    »Warum fährst du nicht bei Falk mit, Linna?« Maggie läuft ein paar Schritte auf uns zu und zieht sich im Gehen die Kapuze über den Kopf. Heute Nacht hat es angefangen zu nieseln, bei wenigen Graden über null. Die Wolken hängen so tief, dass man nicht einmal die Baumspitzen sehen kann. Wenn ich zu tief einatme, tun mir die Bronchien weh.
    Falk zuckt gleichmütig mit den Schultern und lässt die Motorhaube wieder sinken. »Von mir aus.«
    Fragt mich niemand, was ich will? Ich hatte schon beim Frühstück klargestellt, dass ich in meinem Auto fahre oder gar nicht. My car is my castle.
    »Was macht ihr denn da die ganze Zeit?«, beklagt sich Maggie, die auf halber Strecke zwischen Jules’ Audi und uns stehen geblieben ist. Seufzend gehe ich zum Kofferraum, ziehe meinen Rucksack heraus, hieve ihn auf meinen Rücken und schnappe mir mit der anderen Hand den Schlafsack.
    »Habt ihr es endlich?«
    »Maggie, noch einen Ton und ich …«
    Sie hebt erschrocken die Hände, als habe ich bereits ausgeholt, um ihr eine überzubraten. Allein die Geschwindigkeit, mit der ich bei ihr war, hat sie in Angst und Schrecken versetzt.
    »Ist ja gut, Linna! Ist gut. Alles okay.« Schlagartig schießt die Röte in ihre Wangen.
    Ich drehe mich kopfschüttelnd von ihr weg, laufe zu Falks Auto – ein uralter gelber Jeep, dessen komplette Ladefläche für Luna reserviert ist –, schmeiße den Rucksack und meinen Schlafsack in den Fußraum und schiebe mich neben Falk auf den Beifahrersitz. Er ist bretthart. Der Motor läuft bereits dröhnend und lässt den gesamten Unterbau des Wagens vibrieren. Kalte Luft bläst aus den Schlitzen der Heizung in meine Augen, sodass ich blinzeln muss. Schweigend schnallt Falk sich an und lenkt den Jeep auf die Straße. Der Wagen von Jules ist schon im Dunst vor uns verschwunden.
    Minutenlang ist Lunas Hecheln das einzige Geräusch, das das Tuckern des Motors begleitet. Als Falk auch nach einer weiteren ungemütlich kalten Viertelstunde keine Silbe von sich gibt, zerre ich den Schlafsack zwischen meinen Füßen hervor und wickele mich darin ein, um zu dösen.
    Sofort muss ich an Tobias denken. Auf einmal stand er heute Morgen hinter mir im Wohnzimmer, noch im Pyjama, blau-weiß gestreift, und kuschelte sich, ohne zu fragen, neben meinem Sessel auf das Sofa. Ich war zu perplex, um ihn davon abzuhalten. Andererseits gab es keinen Grund, das zu tun. Nach ausgiebigem Gähnen und Augenreiben schnappte er sich die weiche Wolldecke von der Lehne meines Sessels und schlang sie sich um die Beine.
    »Guten Morgen«, sagte er mit kratziger Stimme. Seine Haare standen in alle erdenklichen Richtungen ab. Du siehst aus wie Campino nach einer Verjüngungskur, dachte ich, als er mich bittend und flirtend zugleich von unten anzwinkerte.
    »Du, Linna … wenn du das nicht willst mit der Hütte … das war nur eine Idee, ich fahre auch alleine hoch … wollte mich nicht aufdrängen … ehrlich …«
    »Schon okay.« Eine Weile schauten wir mir zu, wie ich zu Lord of the Boards über die Bühne irrlichterte, eine ältere Aufnahme und eine völlig andere Kategorie als Sade – nicht sanft und betörend, sondern laut, aggressiv und energiegeladen –, doch ich blieb stumm. Den Ton hatte ich schon lange abgestellt.
    »Du …«, versuchte Tobi von Neuem, ein Gespräch in Gang zu bringen. Er hob seinen Hintern an, um die Decke auch über seine Schultern zu ziehen, rückte ein Stück zu

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