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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Strähne aus der Stirn – mehr muss ich nicht tun. Wäre er ebenfalls ein Hund, würde er jetzt hechelnd zu mir traben und versuchen, zwischen meinen Beinen zu schnüffeln. Aber er ist ein Mensch und hat nur sein dämliches Grinsen als Signal, dass er paarungsbereit ist.
    »Na, Sie haben recht, heute nicht.« Er lässt das Plastiktütchen zurück in seine Manteltasche gleiten und hat keinen Sinn mehr für seinen Hund, den er fast stranguliert, denn der Terrier möchte gerne zu Luna, die ihren Haufen erfolglos zu verscharren versucht hat und abwartend hinter mir kauert. »Blöde Erfindung, das mit den Tütchen, was?«
    Ich nicke nur. Gleich wird er mich fragen, ob ich einen Kaffee mit ihm trinke, obwohl er bereits einen Kaffee trinkt. Und das nur, weil ich es ihm ein zweites Mal für einen winzigen Moment gestatte, in meine Augen zu sehen.
    »Haben Sie vielleicht Lust auf einen Kaffee?«
    Ich pruste kopfschüttelnd die Luft aus und ja, ich lächle dabei, weil ich nicht anders kann, als über ihn zu lächeln, aber der Idiot sieht nicht, dass es ein bedauerndes Lächeln ist. Er nimmt es als Kompliment, vielleicht sogar als ein angedeutetes Ja. Ich weiß genau, wie es laufen wird, wenn ich tatsächlich Ja sage. Kaffee, ein bisschen Geplänkel über seinen Beruf und meinen Beruf, dann wird er anfangen, sentimental zu werden, er würde von meiner besonderen Ausstrahlung schwafeln, exotisch, ja, ich hätte eine exotische Ausstrahlung, ein Hauch Asien. Irgendwann würde er seine Hand wie nebenbei auf meinen Arm legen, vielleicht würde ich mich sogar dabei unterhalten fühlen, mag sein, dass er ganz nett ist, aber noch bevor die Sonne untergegangen ist, würde er das Thema auf Sex lenken. Er würde es nicht direkt an- oder gar aussprechen, das nicht, aber jede seiner Bemerkungen würde darauf abzielen. Und garantiert würde auch der Satz »Du fühlst dich irgendwie anders an« fallen. Dieser Satz fällt immer.
    Ich könnte mir etwas darauf einbilden, auf diesen Satz, aber er hätte nichts mit mir zu tun. Sondern nur mit ihm. Denn er weiß eigentlich gar nicht mehr, wie eine Frau sich anfühlt, weil er mit seiner eigenen seit Jahren nicht mehr geschlafen hat, und wenn, hat er sie kaum berührt. Ach, selbst wenn er mit ihr schläft und sie dabei berührt – ihre Haut ist vertraut, wie der Bezug seines Lieblingssessels oder sein Lenkrad, darüber denkt man nicht mehr nach, wenn man es anfasst. Es ist einfach da.
    »Danke, ich habe keine Zeit.«
    »Schade. Wie schade …«
    Nein, nicht schade. Ich wende meinen Kopf und schnalze Luna zu wie einem Pferd, das zu langsam läuft. Sofort erhebt sie sich und folgt mir schwanzwedelnd, nicht minder unterwürfig als der Mann hinter mir, der mir aus großen Augen nachstarrt.
    Der Wagen steht nun abseits der Zapfsäulen, Falk ist nirgendwo zu sehen. Wahrscheinlich vertritt er sich gerade die Füße. Ich löse die Leine, öffne den Kofferraum und lasse Luna auf die fusselige, alte Decke springen, die Falk auf dem harten Plastik ausgebreitet hat. Als er zurückkommt, sitze ich schon wieder auf dem Beifahrersitz.
    »Hier, hab dir n Sandwich geholt.«
    Er greift in die Papiertüte und zieht es raus, doch ich schüttele den Kopf, obwohl mein Magen wie in einem Reflex knurrt.
    »Hab keinen Hunger.«
    »Du musst mal was essen, Linna, du hast seit heute Morgen …«
    »Ich muss gar nichts!«
    Falk zuckt nur mit den Schultern, schiebt sich das Sandwich selbst in den Mund und hält es mit den Zähnen fest, während er sich anschnallt und den Wagen startet.
    Hoffentlich sind wir bald am Ziel. Seit Stunden sitzen Falk und ich nebeneinander im Auto und haben immer noch nicht miteinander geredet. Und jetzt kann ich nicht mal mehr schlafen. Ich bin hellwach. Aber eigentlich ist diese Situation nicht die schlechteste. Eine lange Autofahrt zu zweit wäre doch eine ideale Gelegenheit für Falk, unsere Nacht zu erwähnen, wenigstens eine Anspielung zu streuen. Vielleicht ist es ihm ja vor den anderen unangenehm gewesen. Also, warum tut er es nicht? Soll ich es tun?
    Er nimmt mir die Entscheidung ab, indem er nach vorne greift und den CD-Player anschaltet. Gespräche unerwünscht. Ich kenne das Album nicht. Es gibt wenig, was ich nicht kenne, normalerweise entgeht mir nichts. Aber ich muss diese Musik nicht kennen, um zu wissen, dass ich sie nicht mag. Sie ist zu soft, zu gefühlvoll, zu pur.
    »Oh Mann, das erträgt man ja nicht …«, mosere ich. »Was ist das für ein weichgespülter Mist?«
    Falk zieht

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