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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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mir herüber und kugelte sich wieder ein. Nun berührten sich unsere Knie, ganz leicht. Als wäre es Zufall. Von wegen, Tobi. Ich durchschaue dich, dachte ich amüsiert. »Hast du eigentlich eine Beziehung?«
    Ich lachte trocken auf, ohne mein Knie wegzuziehen, wandte meinen Blick aber nicht vom Fernseher ab.
    »Werd erst mal trocken hinter den Ohren.« Ich spürte, dass er mich weiterhin fragend anschaute, er wollte erreichen, dass ich in seine Augen sah. Hundeblick. »Nein, ich habe keinen Freund«, setzte ich seufzend hinterher, damit er sich endlich zufriedengab. »Ich hab auch so genug Stress am Hals.«
    Er drückte sein Knie noch etwas fester gegen meins, doch nachdem ich weiterhin auf den Fernseher schaute, obwohl das Video längst zu Ende war, trollte er sich unter die Dusche.
    »Hast du eine Beziehung?« Wir alle müssten uns dieser Frage stellen. Fünf ehemalige Freunde treffen aufeinander – und keiner von ihnen ist vergeben? Das kann nicht sein. Nicht in unserem Alter. Ich hatte fest damit gerechnet, dass Jules eine Freundin hat. Aber dass er nicht davon erzählt hat, bedeutet nicht, dass es da kein Mädchen gibt. Möglicherweise hat er eine Freundin. Doch würde sie ihn dann mit zwei anderen, ihr unbekannten Frauen auf eine einsame Hütte in den Bergen ziehen lassen? Jemanden wie Jules? Er hat nicht mehr das Charisma wie früher, aber er ist trotzdem noch der Typ Mann, auf den Frauen fliegen. Seine »Du kriegst mich nicht, ich bin zu lässig für dich« -Aura hat er sich bewahrt. Manchmal frage ich mich, ob Maggie ihn überhaupt gewollt hätte, wenn er diese Aura nicht gehabt hätte. Ob es ihr um seinen Charakter ging und nicht um das, was er ausstrahlte.
    Innerhalb der Musik aber wendete sich das Blatt für Maggie. Wenn es um unsere Arrangements ging, nahm Jules sie ernst, wie jeder von uns. Maggie strahlte dann eine Überzeugungskraft und Dominanz aus, der sich niemand zu verweigern vermochte. Selbst Falk blieb nur die Flucht; mit ihr zu diskutieren war zwecklos. Ich fing gar nicht erst damit an, denn sie hatte so gut wie jedes Mal recht. Was auch immer Maggie sich in ihrem Köpfchen ausdachte – wenn wir es umsetzten, wie sie sich das vorstellte, passte es.
    Was ist mit Simon? In der Schule war er zu schüchtern, um ein weibliches Wesen länger als drei Sekunden anzuschauen oder gar anzusprechen. Außerdem musste jedem Mädchen klar sein, dass es sich mit Maggie anlegte, wenn es versuchte, Simon nahezukommen. Heute kann sie ihn nicht mehr bewachen wie früher. Sie hat ihre Muggen, ihren Beruf, er ist wahrscheinlich noch im Studium. Zwei Welten. Sie müsste sich schon klonen lassen, um weiterhin seinen Bodyguard zu spielen. Aber wenn er Frauen so berührt, wie er mir gestern seine Hand gegeben hat, spricht vieles dafür, dass er allein ist.
    Bei Maggie bin ich mir sogar sicher, dass sie solo ist. Jemand in einer glücklichen Beziehung stresst nicht so rum wie sie. Sie ist unausgeglichen. Sie versucht, ein Defizit nach dem anderen auszugleichen, und welchen Grund hätte sie auch sonst gehabt, diese Wiederbelebung der Band zu initiieren?
    Und Falk? Er hat die anderen beiden Jungs optisch abgehängt, von Tobi gar nicht erst zu sprechen. Falk war schon früher attraktiv gewesen, auf eine versteckte, introvertierte Art und Weise. Er hat sich nichts daraus gemacht. Hatte immer Schatten im Gesicht, weil er es vor den Blicken anderer verbarg. Ich weiß noch genau, wie er auf der Skifreizeit mir gegenüber im Flur saß und auf der Gitarre herumklimperte, den Kopf gesenkt, den Hals der Gitarre fast unter seinem Kinn, als wolle er mit ihr zusammenwachsen. Mir war vorher nie aufgefallen, dass er Gitarre spielte oder sich überhaupt für Musik interessierte. Niemand wusste, wofür Falk sich interessierte. Er ließ nichts raus. Die ganze Familie war so. Falk hat vier oder fünf Schwestern, genau kann ich es nicht sagen, eine schöner als die andere. Ätherische, kühle Wesen mit atemberaubenden Haaren und hellen Augen, wie von einem fernen, geheimen Stern. Nicht im Traum wäre ich darauf gekommen, mich mit einer von ihnen anzufreunden. Mit keiner habe ich jemals ein Wort gewechselt.
    Doch als ich Falk vor mir an der Wand sitzen und Gitarre spielen sah, schoss mir plötzlich ein Bild durch den Kopf und ich wusste, an wen er mich erinnerte. An Mike. Ja, an Mike Oldneld im Video von Moonlight Shadow. Er ist immer nur für Sekunden im Bild, ich glaube, er hat es gehasst, gefilmt zu werden. Wenn es nach ihm gegangen

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