Linna singt
ihrer entblößten Brustwarze los und schaue in ihr Gesicht. Große, runde, strahlende Augen. Braun, nicht blau. Aber mit dem gleichen verwundert-fröhlichen Ausdruck, den ich so sehr vermisse. Es sind Simons Augen. »Nein.«
»Doch. Leila ist meine Tochter.«
Langsam lasse ich mich auf den einzigen Schemel im Zimmer sinken und werfe das Handy mit sanftem Schwung auf Simons Bettdecke. Er hat recht, er muss es zurückbekommen. Dieses Mädchen ist sein Kind.
»Aber … ähm«, stammele ich umständlich, als er es an sich nimmt und sie sich mit einem tiefen Ausatmen anschaut; keine Aufmerksamkeit mehr für mich und meine grenzenlose Verwunderung. »Aber du … du hast doch keine … also …«
»Nein, ich habe keine Frau, ich bin nicht verheiratet, ich habe nur ein uneheliches Kind, das ich nicht sehen darf. Zufrieden?« Seine Stimme klingt so bitter, dass ich sie wie einen frostigen Lufthauch auf meiner Haut spüre.
»Nicht zufrieden«, wispere ich beinahe ehrfürchtig. Simon ist Papa … Er hat ein Kind. Und darf es nicht sehen? Wie kann man jemandem wie Simon verwehren, sein Kind zu sehen? »Warum?«
»Ich glaube nicht, dass dich das interessiert, Linna.«
»Doch, das tut es!« Ich versuche, ihm in die Augen zu blicken, doch sie hängen immer noch an dem Gesicht des kleinen Mädchens. Mit dem Zeigefinger fährt er die Rundung ihrer Wangen nach, ohne das Display zu berühren. Leila ist sein Heiligtum. »Simon, bitte … Erzähl es mir. Ich möchte dich verstehen.«
»Ja, möchtest du das wirklich? Oder dich lieber wieder in Vorurteilen verlieren, weil ich ach so spießig und humorlos geworden bin? Mir ist das Lachen vergangen, das kannst du mir glauben.«
»Das habe ich gesehen. Und es fehlt mir.«
»Ach«, schnaubt Simon und löst sich endlich von Leilas Anblick. »Ganz ehrlich, Linna, du hältst uns hier alle zum Narren, tagein, tagaus. Du weigerst dich zu proben, schmierst Botschaften an die Wand, legst dich mit Maggie an, klaust unsere Handys … Wir sind dir doch nichts wert!«
»Ja, aber ihr habt mir meine – egal.« Simon äugt verständnislos zu mir hoch. Doch das Verstecken meiner Sachen kommt mir plötzlich zu lächerlich vor, um es zu erwähnen. »Ich helfe mit, Holz zu holen, grabe euch den Eingang frei, verbinde deine Hand. Ihr seid mir sehr wohl etwas wert. Und all die anderen Dinge gehen nicht auf mein Konto. Ich hab sie nicht verbrochen.«
»Wer soll es denn sonst gewesen sein? Hm?«
»Du willst Anwalt werden, oder?«, brause ich auf, nicht willens, mir das länger anzuhören. »Und gehst davon aus, dass ich schuldig bin, obwohl du keinen einzigen Beweis hast? Im Zweifel für den Angeklagten, wie? Ich glaube, du solltest dir deine Berufswahl noch einmal gründlich überlegen.« Simon widerspricht nicht, sondern streicht mit unlesbarer Miene die Falten in seiner Bettdecke glatt. »Ich habe mir auch nicht die Haare abgeschnitten. Das war jemand anderes. Und letzte Nacht wurde ich in meinem Bett begrapscht, während ich schlief. Sexuelle Nötigung. Ich bin diejenige hier, die einen Anwalt bräuchte, nicht ihr!«
»Das glaube ich nicht, Linna«, erwidert Simon, doch ich höre, dass er zu zweifeln beginnt. Ich habe einen Nerv getroffen.
»Dann glaub mir wenigstens, dass mich deine Geschichte interessiert. Denn das tut sie. Ich möchte nur einen von meinen ehemaligen Freunden verstehen können. Ich möchte dich verstehen können, denn du bist der Einzige, dem ich solche Spielchen, wie sie mit mir veranstaltet werden, nicht zutraue.«
Simon gibt sich einen Ruck.
»Das ist schnell erzählt. Urlaub auf Malle, das allererste Mal Sex, bumm, geschwängert, erst wollte sie Kohle, dann hatte sie einen Neuen, wollte immer noch Kohle, aber nicht mich als Vater, und sie hat alles Recht der Welt, mir den Umgang zu verweigern. Noch hat sie das. Ich habe vor, das zu ändern. Ich werde das ändern!« Simon haut mit der Faust in sein Kissen, um seine Worte zu bekräftigen, und ich sehe eine stählerne Glut in seinen Augen schwelen, die ich ihm niemals zugetraut hätte. »Ich will mich kümmern und ich darf nicht. Ich liebe dieses Kind, aber ich darf ihm kein Vater sein. Ich kann Leila nur heimlich treffen, manchmal nur beobachten, komme mir dabei vor wie der letzte Spanner, dabei ist es mein Kind, sie ist mein Kind, ich habe den Beweis und es nützt gar nichts!«
»Bisschen leiser, Simon, bitte.« Wenn er weiter herumschreit, können Falk und ich uns unsere Nachtwache sparen.
»Ohne Jules wäre das alles
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