Linna singt
sieht ganz und gar nicht reuig aus, als er seine Haare ohne Eile zu einem Zopf bindet und erst einmal zwei große Schlucke Wasser nimmt, bevor er sich sein Kissen in den Rücken klemmt, um es auch schön gemütlich zu haben, wenn er mir reinen Wein einschenkt – während ich mal wieder stocksteif am Schrank stehe wie vor dem Jüngsten Gericht. Eigentlich müsste es umgekehrt sein, ich müsste wie eine Königin im Bett thronen und er mir unter Qualen die Wahrheit gestehen. Am besten auf einer Streckbank und mit Daumenschrauben an seinen schönen, großen Händen. Die Arme verschränkt, warte ich darauf, dass er sich bekennt, doch sein ernster Blick nährt meinen Verdacht, dass ich meinen neu gewonnenen Traumstoff gleich wieder verlieren werde, indem ich höre, was ich vielleicht besser nie erfahren sollte.
»Ich hatte das Vertrauen verloren.«
»Du hast – was? Das Vertrauen verloren?« Empört hole ich Luft. Seine Eröffnung trifft mich wie ein Schlag in den Bauch. »In mich?«
Er nickt nur.
»Aber wieso denn das? Wieso Vertrauen verloren?«
»Ich wusste halt nicht, ob ich dir noch vertrauen kann, falls es … falls es intimer wird.«
Ich verstehe gar nichts, ich weiß nicht, was er meint, und trotzdem stecken seine Worte wie ein abgebrochener, rostiger Dolch in meiner Brust, dessen Schaft ich nie mehr fassen kann, um ihn herauszuziehen. Er wird mich mein Leben lang schmerzen.
»Aber womit habe ich dein Vertrauen denn enttäuscht? Ich habe doch gar nichts getan! Außerdem – ausgerechnet du redest von mangelndem Vertrauen. Genau das hast du mir vor wenigen Stunden erst vorgeworfen. Dass ich dir nicht vertraue! Oder willst du dich daran jetzt auch nicht mehr erinnern?« Mir ist danach, mit ausgefahrenen Krallen über ihn herzufallen. Strafend, nicht liebend.
»Ja, ich erinnere mich gut, aber da ging es um etwas anderes, nicht um Intimitäten.«
»Oh, ich finde, wir waren auf dieser Hütte schon sehr intim, meinst du nicht?«, entgegne ich mit Feuer in den Augen und Samt in der Stimme. »Ich habe dir haarklein von meinem Aufenthalt in der Psychiatrie und der Sache mit der Bandauflösung erzählt, intimer geht es wohl kaum mehr!«
»Hm«, macht Falk abwägend. »Aber warum du die Band aufgelöst und so überreagiert hast, kapiere ich immer noch nicht. So intim war es also auch wieder nicht.«
Darauf kann ich nichts erwidern. Denn es ist, wie er sagt: Ich habe vieles erzählt, vielleicht zu viel, aber nicht alles. Weil ich nicht alles weiß. Oder ich weiß es und will es nicht wahrhaben. Halte es nicht aus. Dennoch hat er mehr über mich erfahren als jeder andere Mensch in meinem Dunstkreis.
»Ich verstehe trotzdem nicht, warum du mir nicht mehr vertrauen konntest. Wann hast du diesen Entschluss denn gefasst? Als wir uns wiedergesehen haben?«
»Es war kein Entschluss, Mozzie, es war ein Gefühl, und man kann nicht immer so klar festmachen, warum man das Vertrauen verliert. Es ist passiert. Ich kann es nicht ändern.«
Er kann es nicht ändern? Er hat mich wiedergesehen und gefühlt, dass er mir nicht vertrauen kann? Was um Himmels willen hätte ich ihm denn antun sollen?
»Hast du etwa Angst vor mir?«, spreche ich aus, was mir als nächster Gedanke durch den Kopf schießt, eine Vorstellung, die auch die letzten Träumereien von heute Nacht wie Seifenblasen zerplatzen lässt. Keine Linna mehr im Bikini mit Falk unter dem Dschungelwasserfall und am Strand. Falk hat Angst vor Linna.
Überrascht schnaubt er auf. »Angst vor dir? Nein. Wieso sollte ich denn Angst vor dir haben? Das ist lächerlich.«
»So, ist es das?« Ich kann mich nicht über seine Antwort freuen, sie ist mir zu abwehrend und abwertend zugleich. »Es gibt Menschen, die Angst vor mir haben.«
»Ja, die gibt es«, erwidert Falk prompt. »Maggie zum Beispiel.«
»Maggie?« Herrgott, ich weiß nicht, was ich will! Erst möchte ich, dass ich zum Fürchten bin, aber wenn er es bestätigt, ist es mir auch nicht genehm. Ich finde mich gerade selbst zum Davonlaufen.
»Ach, Linna, du weißt genau, dass sie Angst vor dir hat. Sie ist in deiner Gegenwart total verkrampft, kann sich null entspannen. Sie musste ja sogar das Flaschendrehen als Umweg wählen, dich nach der Bandauflösung zu befragen. Du bist eine Bedrohung für sie.«
»Aber was ist denn an mir so bedrohlich?« Ich kann bedrohlich wirken, das weiß ich, und manchmal ist das auch sinnvoll, vor einem Kampf oder wenn mir ein Mann zu nahe kommt, aber Maggie gegenüber wollte ich es
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